Stil (Spielzeit): Weltmusik / Neoklassik / Gothic Rock (56:06)
Label/Vertrieb (VÖ): Pias Recordings / rough trade (10.08.12)
Bewertung: 8 / 10
Dead Can Dance Homepage
DEAD CAN DANCE habe ich damals in meiner „schwarzen Phase" entdeckt und zum ersten Mal machte ich die Erfahrung, dass Musik auf eine angenehme Art angsteinflößend sein kann. Die schon fast mantraartigen Melodien, der Hall in der mystischen Stimme und die fremdartigen Klänge haben mich fasziniert und zum ersten Mal hat mich Musik in eine "andere" Welt gezogen. Zum ersten Mal konnte ich komplett abschweifen und in der Musik versinken.
Nun schreiben wir 2012 und ich wusste gar nicht, dass das australische Duo Brendan Perry und Lisa Gerrard wieder zusammen Musik macht und seit der Trennung noch einige Scheiben veröffentlicht wurden. Da es sich eigentlich "nur" um Best Of Veröffentlichungen handelt, habe ich seit "Spiritchaser" nicht wirklich viel verpasst und war entsprechend gespannt auf neues Material. Allerdings war mich klar, dass man eine CD von DEAD CAN DANCE nicht einfach mal so zwischendrin anhören kann, die Musik braucht Aufmerksamkeit und ist der direkte Gegenpol zu „easy listening".
Momenten haben wir bis zu 38 Grad Sommertemperaturen und eine lauschige, noch immer sehr heiße Sommernacht erschien mir das passende Ambiente, um in die CD einzusteigen. Also ab auf die Couch, hochwertige Anlage angeworfen, Licht aus und „Anastasis" an, auf zur musikalischen Weltreise.
Der erste Song hat mich verwirrt, dafür hätte ich mir die Mühe aber nicht machen müssen. „Children Of The Sun" wird komplett von Brendan Perry bestimmt und hat einen geringen Anteil an Mystik, dafür geht er in eine psychedelische Hippierichtung und weckt gleichzeitig Erinnerungen an FRANK SINATRA, gleichzeitig könnte es auch einen erstklassigen Soundtrack zu einem James Bond Film abgeben. Der Song ist interessant, wie sich aber im weiteren Verlauf herausstellt, hat „Anastasis" noch einiges mehr zu bieten.
Ab da hat Lisa Gerrard mit zwei Songs die Ehre, die schon eher die Erinnerung an alte DEAD CAN DANCE Zeiten wecken. Orientalische Klänge und hypnotische Beats ziehen mich sofort für knappe 15 Minuten aus dem Hier und Jetzt. Komplett entrückt, wie in den Song aufgesogen, tauchen Bilder von geheimnisvollen Wüsten, bedrückenden Gängen, Kalifen und blutroten Sonnenuntergängen vor meinem inneren Auge auf. „Agape", der zweite Song im Duett, ist etwas treibender, beruhigt die Atmung und gefällt mir somit noch eine Spur besser als „Anabasis". Ich kann mir vorstellen, dass schlechter Sound auf einer nicht so guten Anlage viel von der Magie verpuffen lässt, denn selbst ich höre deutlich den Unterschied zwischen echten Instrumenten und denen aus der Dose. Ich kann und will gar nicht benennen, was hier alles zum Einsatz kommt, da ich keinem die eigene Erfahrung und Überraschung vorwegnehmen will.
Allerdings kann ich zu „Amnesia" etwas vorwegnehmen. Der Song hat einen Ton, der sich über 98% der Songdauer zieht, immer im gleichen Takt, eingefügt in den wunderschönen Gesang von Brendan Perry. Zu Anfang konzentrierte ich mich darauf, zwischendurch kann man es ausblenden, da der Ton sich harmonisch einfügt und irgendwann am Schluss ist er plötzlich verschwunden und man wünscht ihn sich schon fast zurück. Der Song hat eine gewisse Schwere und Melancholie, ist aber gleichzeitig leicht und schwebend. Mir ist der Song allerdings zu klinisch, auch wenn der Gesang einfach unschlagbar ist.
Highlight der Platte ist „The Return Of The She-King", welches sehr packend einsteigt. Was ist das? Keltisch, nein? Seefahrer, nein... könnte auch schottisch sein. Keine Ahnung, aber dieses Potpourri aus Weihnachtssound (klingt irgendwie nach Schlittenfahrt), gregorianisch angehauchten Gesängen, Dschungelsound (der Song ist schon überdurchschnittlich synthielastig) nimmt mich sofort ein. Über die komplette Dauer und zum Ende hin kommt es sogar zu einem Showdown in Form eines sehr seltenen Duettgesang von Brendan und Lisa. Dieser Moment, in dem Lisa schon fast aufschreit, verpasst mir einen Stich ins Herz. Und genau in diesem Moment fällt mir auf, dass mir diese Facette von Lisa gefehlt hat und die vorangegangenen Songs zwar interessant waren, ihnen aber deutlich die Emotionalität und teilweise auch die Seele fehlen. Das war bei früheren DEAD CAN DANCE Platten anders und „Anastasis" wirkt auf mich ein Stück weit kalkuliert.
Ob kalkuliert oder nicht – DEAD CAN DANCE machen immer noch geniale, inspirierende Musik und die Wiederauferstehung von „Anastasis" war ein Segen für die Fans. Solch intensive Platten kriegen manche Bands in ihrer ganzen musikalischen Schaffensphase nicht annähernd hin, trotzdem hat man bei DEAD CAN DANCE eben einige Überplatten zum Vergleich. Neue Fans wird die Band damit sicher nicht kriegen.
DEAD CAN DANCE haben eine kleine Deutschlandtour in knapp 14 Tagen ausverkauft, um eine schwindende Fanbase müssen sich die beiden sicher keine Sorge machen.
Hier gibt es den Stream zum kompletten Album