Geschichten aus zwei Welten
Dass ASP das Talent haben, mit jedem Album eine andere Geschichte zu erzählen die aber trotzdem als Teil eines großen Ganzen verstanden werden kann, ist keine neue Erkenntnis. Dass sie in der Lage sind, zwei Welten auf ganz natürliche Weise miteinander zu kombinieren, die auf den ersten Blick nicht weiter voneinander entfernt sein könnten, beweist schon ihre Wortschöpfung „Kosmonautilus". Demnach verwundert es nicht, dass das Quintett sich auf dem Album ganz bewusst für keinen der beiden Orte entscheidet und damit eine ambivalente und melancholische Atmosphäre schafft.
Auf dieser knapp 90-minütigen Reise nehmen ASP ihre Hörer mit in die Welt realer, mythischer und geheimnisvoller Kreaturen sowie in die Untiefen der Ozeane und die Schwärze des Universums. Dabei lassen sie in nahezu jedem Song die Phantasie des Hörers entscheiden, wo und wie sich das Erzählte abspielt.
Von blutrünstigen Tattoos, alten Meeresgöttern und der Unterwelt
Die erste Singleauskopplung „Tintakel“ erzählte dem Hörer bereits von dem nach Blut dürstenden Tattoo, welches sich jede Nacht in ein Monster zu verwandeln scheint. Auch trifft der Hörer auf den verzweifelten Ruf nach Triton, dem griechischen Gott der Meere, dass er auferstehen und der Welt helfen möge.
Doch nicht nur die griechische, sondern auch die biblische Mythologie scheint es ASP angetan zu haben. Nachdem sie auf „zutiefst“ zuerst den Leviathan entfesseln und einen ersten Ausflug in die biblische Unterwelt unternahmen, tauchen sie auf „Kosmonautilus“ mit vier Songs nun komplett in die Abyssos ein.
Never change a winning team?
Musikalisch bleiben die Gothic-Novel-Rocker vornehmlich in ihrem selbst gewählten Terrain, begeben sich aber auch auf mitunter sehr kurze Ausflüge in die Welt des etwas düsteren Heavy Metal, wagen jedoch auf diesem Album keine allzu großen musikalischen Experimente. Der charakteristische ASP-Sound, mit teils schweren Gitarren untermalt von atmosphärischen Synthesizer-Arrangements, düsteren Chören und natürlich Alexander Frank Sprengs unverwechselbarer Stimme, manifestiert sich auch bei „Kosmonautilus“.
Eingerahmt von zwei jeweils über acht Minuten langen Songs, einer davon eher ASP-untypisch verfasst in englischer Sprache, findet sich dazwischen etwa ein Dutzend Songs, von denen fast keiner so endet, wie er beginnt. ASP scheinen auf „Kosmonautilus“ vor allem mit den Erwartungen des Hörers zu spielen. Beispielsweise besteht ihre Songtrilogie Abyssus 3-5 zwar aus drei im Grunde völlig verschieden konzipierten Songs, die auch allein funktionieren, aber erst als Einheit wirklich Sinn ergeben.
Wie auch schon auf vielen der Vorgängeralben holt sich das Quintett wieder einmal Unterstützung an Cello und Violine, in diesem Fall für die als Liebeslied getarnte Ballade, die auch auf keinem ASP-Album fehlen darf.
Fazit
Im Ganzen ist „Kosmonautilus“ ein sehr hörenswertes Album, welches den Hörer eineinhalb Stunden lang auf eine Phantasiereise in andere Welten mitnimmt. Es ist ein sehr solides Werk, welches sich auf den ersten Blick fast genauso verhält wie seine Vorgänger. Taucht man jedoch tiefer ein in die Welt der einzelnen Songs, findet sich oft die ein oder andere musikalische Überraschung, die das Hörerlebnis nicht langweilig werden lassen. Die Texte lassen wie gewohnt reichlich Spielraum für Interpretation in alle Richtungen und obwohl ASP meistens eine grobe Richtung vorgeben, ist es durch die Diversität des Albums an einem selbst, die Songs für sich zu verstehen. Ein Muss für jeden, der gern ein wenig philosophisch unterwegs ist.
"Kosmonautilus" Trackliste
- Rückfall
- Morgengrauen irgendwo
- Phragmokontrolle
- Abyssus 2 (Musik)
- Tritons Fall
- Eishimmel
- Liebes Licht
- Tintakel
- Schatten eilen uns voraus
- Abyssus 3
- Abyssus 4
- Abyssus 5
- Kosmonautilus
- Bones
- Nessaja (Bonus Track der Deluxe Edition)
ASP Line-up:
Asp (Alexander Frank Spreng): sämtliche Gesänge und Stimmen, Programming
Lutz Demmler: E- und Akustikgitarren, Keyboards, Bass, Live-Gesang
Stefan Gunther-Martens: Schlagzeug
Søren Jordan: zusätzliche Gitarren
Andreas Groß: Live-Bass, Live-Gesang