Zuletzt vor ungefähr drei Jahren konnten PARADISE LOST mit ihrem Doom-Monster „Medusa“ begeistern, das so bleischwer über uns ergossen wurde, wie noch nie ein Album der Briten. Entsprechend konnte man auch diesmal sehr gespannt sein, mit was uns „Obsidian“ beglücken würde. Ein Ausflug in die gotische Jugendliebe oder ein weiteres Doom-Monster?
„Obsidian“ – ein alter Freund
Die Antwort ist: beides. Wenn man mal ganz ehrlich ist, haben sich PARADISE LOST über all die Jahre von Album zu Album immer nur recht marginal verändert. Recycling (im guten Sinne) war das Mittel der Wahl und auch „Obsidian“ zeichnet sich nicht unbedingt durch innovative, neuartige Ideen aus. Viel eher bekommt man einen ziemlich vielfältigen Querschnitt der musikalischen Bandbreite der Bandgeschichte präsentiert, in dem der Gothic-Einschlag definitiv nicht zu kurz kommt. Das soll aber nicht heißen, dass das neue Album in irgendeiner Art altbacken oder langweilig wäre. „Obsidian“ klingt vertraut aber dennoch frisch und divers.
Beginnend mit dem vulnerablen, emotionalen „Darker Thoughts“, das sich im Verlauf zu einer wahnsinnig eindrucksvollen Death-Ballade entwickelt, wird bereits angedeutet, was auf den restlichen acht Tracks noch passieren wird: „Obsidian“ wird eine Brücke über die Klippe spannen, die zwischen der Gothic-Rock-Vergangenheit und der Doom-Gegenwart der Band steht.
Die beiden Singles stellen „Fall From Grace“ und „Ghosts“ dar, was kaum verwunderlich ist, da beide jeweils die absoluten Extreme des Albums abdecken. Während „Fall From Grace“ auch von „Medusa“ hätte stammen können, erinnert der Old-School-Gothic-Song „Ghosts“ stark an die Veteranen SISTERS OF MERCY und lässt nicht nur unterschwellig das Tanzbein zucken, ebenso wie das doch ein wenig härtere aber dennoch frostig-kühle „Forsaken“.
Außerdem schaffen es PARADISE LOST, eine gewisse Emotionslosigkeit mit absoluter Melancholie und Epik in Einklang zu bringen, sodass melodische und balladenartige Songs mit wuchtigen Refrains („The Devil Embraced", „Serenity“ und „Ending Days“) neben geisterhaften Sounds („Hope Dies Young“) stehen können, ohne dass dies hinterfragt wird. Das Schlusslicht bildet das dunkel-düstere „Ravenghast“, welches das musikalische Spektrum von PARADISE LOST vollendet.
Fazit
Für mich ist „Obsidian“ ein Album, an dem man sich nicht satthören kann, das einen nicht langweilt und das einen zugleich von den alten Zeiten träumen lässt aber gleichzeitig Vorfreude auf Kommendes weckt. Selten erlebt man ein Album, bei dem wirklich jeder einzelne Song als Single hätte veröffentlicht werden können. Entsprechend stellt „Obsidian“ für mich das stärkste bisherige PARADISE LOST Album dar.
Tracklist
1. Darker Thoughts
2. Fall From Grace
3. Ghosts
4. The Devil Embraced
5. Forsaken
6. Serenity
7. Ending Days
8. Hope Dies Young
9. Ravenghast