Stil (Spielzeit): Crossover (70:56)
Label/Vertrieb (VÖ): Suburban Noize Records (05.03.10)
Bewertung: 8 / 10
Link: http://www.myspace.com/hedpe
MINISTRY ist tot… Aber wer kümmert sich denn nun um die musikalische Auslebung der immer noch dringendst benötigten Kritik an diesem unsympathischen Herrn Bush? Es sollen sich ja noch immer Menschen auf dieser geschundenen Erde aufhalten, welche sich nicht hundertprozentig darüber im Klaren sind, welche Gefahr dieser albern wirkende Cowboy auch nach dessen Amtszeit noch darstellt. Glücklicherweise haben sich die fünf Kalifornier von (HED)P.E. bereit erklärt, hier noch ein wenig Aufklärungsarbeit zu leisten. Und so haben sie mit ihrem mittlerweile siebten Studio-Album einen zu einer runden Scheibe gepressten Zeigefinger geschaffen, welchen auch der gute Al Jourgensen nicht besser hätte erheben können. Es ist ein harter Job, doch irgend jemand muss ihn ja machen. Und die Jungs um Frontmann Jahred Shane waren ja schon immer sehr sozialkritisch eingestellt. Die tadelnden und teilweise verschwörungstheoretischen Texte auf „New World Orphans“ sind also nicht bloß ein reiner Sprung auf den modernen Zug der Anti-Bush-Haltung, sondern wirken ehrlich und authentisch.
Denn der dümmliche Präsidentenjunge ist bei Weitem nicht das einzige Thema auf dem neuen Longplayer des Quintetts. Ganz allgemein werden Lügen, Verheimlichungen, Verunglimpfungen, Verschwörungen, Fehlentscheidungen und sonstige Mißstände in den Reihen der amerikanischen Regierung behandelt. In diesem Zusammenhang gesellt sich zum wedelnden Zeigefinger natürlich auch immer wieder der obligatorisch erhobene Mittelfinger. Doch ist der „Fuck“-Anteil auf „New World Orphans“ noch verhältnismäßig gering gehalten worden. Augenzwinkernde Ironie und direkte Kritik sind glücklicherweise stark vordergründig und stellen stumpfes Geschimpfe hinten an. Das hier ist sozusagen die etwas intelligentere Alternative zu typischem Polit-Punk. Und das bereitet wirklich Freude beim Hören.
Die Art und Weise, in der (HED)P.E. uns ihre Gedanken näher bringen, ist für heutige Maßstäbe recht außergewöhnlich und sehr eigenständig. Crossover ist tot? Wer behauptet das? Nach dem Konsum von „New World Orphans“ mit Sicherheit niemand mehr. Die Crossover-Szene mag ihre glorreichen Zeiten längst hinter sich haben, doch beweisen uns diese fünf Herren aus dem sonnigen Kalifornien einmal mehr, dass es auch in diesem Genre noch ganz schön heiß hergehen kann. „New World Orphans“ ist wirklich ein chaotisches Crossover-Gewitter, wie es abwechslungsreicher kaum sein könnte. Groovende Nu-Metal-Attacken wechseln sich mit intensiven Hardcore-Anfällen und simplen Punk-Passagen ab. Über all dem Gitarrengeschrammel schwebt stets die HipHop-Attitüde, welche (HED)P.E. schon immer auszeichnete. Daraus entstanden dann inklusive der zwei Bonustracks, der zwei Demos, der zwei nicht namentich erwähnten Songs und der fünf kurzen Intros auf der Scheibe ganze sechsundzwanzig Tracks, welche dem Hörer die komplette Bandbreite des Genres von aggressiven Hass-Attacken über melodische Singalongs bis hin zu balladesken Verschnaufpausen bieten.
Beim ersten Durchlauf der Scheibe wird man tatsächlich recht häufig überrascht. Auf den einen oder anderen Hörer mag die Art von (HED)P.E., Songstrukturen zu kreieren, beim ersten Kontakt etwas chaotisch und schwer nachvollziehbar wirken. Da brechen rauhe Riffings plötzlich ab, um reinen HipHop-Beats Platz zu machen. Da werden harmonische Passagen abrupt durch aggressive Shouts abgelöst. Da werden eingängige Rhythmen unverhofft von politisch motivierten Samples abgebrochen. Doch das lockert die Platte auch ungemein auf. Die aggressiven Screams und beatbetonten Raps von Herrn Shane in Kombination mit den zahlreichen Samples und diversen Gastauftritten bekannter Rapper wie den KOTTONMOUTH KINGS ergeben ein interessantes Gesamtbild. Wer sowohl zu hodenlastigem Sprechgesang als auch zu Hardcore und modernen Metalbands wie LIMP BIZKIT abgehen kann, ist bei (HED)P.E. an der richtigen Adresse. Der Sound könnte zwar etwas druckvoller sein, doch irgend einen Haken muss die Geschichte ja haben...