Wenn ich mir heute die „Too Large For Digestive Capacity“ von der holländischen Ein-Mann-Kapelle TUMOUR reinziehe, sehne ich mich nach einer Songstruktur. Nach einem zumindest annähernd nachvollziehbaren Rhythmus. Nach Wiedererkennungswert. Und nach Aspirin. Denn TUMOUR ist wirklich besonders schlimm. Jetzt gar nicht mal unbedingt so wahnsinnig hart oder herausragend schnell, aber die 59 Tracks auf dieser Scheibe würde ich tatsächlich nicht als Musik, sondern als Lärm bezeichnen. So weit ist es gekommen.
Dabei ist es nicht so, als könne ich nicht mehr zu JIG-AI, ROMPEPROP, REGURGITATE oder COCK AND BALL TORTURE abfeiern. Direkt nach dem mühseligen Konsum dieser Scheibe habe ich es getestet und all diese Bands haben mich noch immer mitgerissen. Doch vermutlich wirkt selbst ein Presslufthammer nach diesen fast 77 Minuten wie entspannende Lounge-Musik. Das Schlimmste ist eigentlich die Länge der Platte. Ich fand sie zwar von Anfang an nicht wirklich gut, aber wäre sie nach fünfzehn Minuten vorbei gewesen, dann wäre der bleibende Eindruck sicherlich nicht ganz so negativ. Spätestens nach einer Stunde wünscht man sich jedoch, man wäre tot. Oder zumindest taub...
Bin ich aber leider nicht. Also durch da. Nützt ja nichts. Anfangs habe ich die Scheibe noch einfach für eine belanglose bis schlechte Durchschnitts-Schlachtplatte gehalten. Nervige und schon unzählige Male zuvor gehörte Intros stören den Lärmfluss und die darauffolgenden akustischen Entgleisungen sind kaum voneinander zu unterscheiden. Dass besagte Intros, welche selbstverständlich überwiegend schlechten Splatterfilmen entspringen, zum Ende der 59 sogenannten Songs tatsächlich eine willkommene Abwechslung darstellen würden, da sie die Gehörgänge etwas weniger belasten als das eintönige Geblubber dazwischen, hätte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht gedacht. Aber da die bis zur vollkommenen Unkenntlichkeit verzerrten und entarteten Vocals so dermaßen in den Vordergrund gerückt sind, dass kaum auffällt, wie minderwertig das begleitende Gepolter und Geschrammel doch ist, dürfte selbst dem abgehärtetsten Konsumenten diese ganze unbekömmliche Blubbersuppe früher oder später ganz gehörig auf den Sack gehen...
Denn obwohl so richtig schön durch den Fleischwolf gezogene Goregrindkehlen durchaus Spaß machen können, was Bands wie ROMPEPROP oder auch GUTALAX immer wieder zu beweisen wissen, hat man es hier einfach mal übertrieben. Das Hauptaugenmerk wurde offensichtlich ausschließlich auf die vertonte Unmenschlichkeit gelegt, ohne dabei darauf zu achten, dass mit der Stimme, welche im Goregrind nun mal wie ein zusätzliches Instrument funktioniert, eine Art Groove geschaffen wird. Es blubbert halt einfach vor sich hin.
Und wenn der geneigte Hörer es schafft, darüber hinwegzuhören, bemerkt er eine der armseligsten Musikuntermalungen in der Geschichte des Grindcores. Die knarzenden und viel zu schwach abgemischten Gitarren schrammeln äußerst simpel und nebensächlich die Begleitung für den Drumcomputer runter. Dieser hat außer den Standard-Blastbeats und einigen wirklich sehr ideenlosen Midtempopassagen nicht viel zu bieten. So richtig schmerzhaft wird es dann auch, wenn im letzten Drittel der Platte sogar die Saiter weggelassen werden und nur noch computergenerierter Müll ausgeworfen wird. Technogrind sollte LIBIDO AIRBAG überlassen werden. Hier wirkt es nur billig und nervtötend.
Nee, lieber Rogier Kuzee, das war nichts...
--
BYE Rewind ist unsere Rückschau, eine lose Serie, in der wir für uns relevante Klassiker und Highlights (oder Lowlights) der Musikgeschichte hervorkramen, zurückspulen und in aktuellen Bezug setzen. → Hier geht's zur Übersicht