Link: www.myspace.com/solstafir
Island ist etwas ganz Besonderes. Nicht nur besonders schön, besonders vulkanischen Ursprungs und besonders bankrott; die kecken, grob geschätzt, 800 Insulaner haben so eine tolle Popelfe wie Björk in ihren Reihen, wir dagegen Herbert Grönemeyer. Und sie haben eine der feinsten Metalbands überhaupt. Und wir so gar nichts dagegen zu setzen.
SÓLSTAFIR sind ein Phänomen. Vor 15 Jahren als etwas seltsame, aber interessante Viking Metal Band mit BURZUM-Touch gestartet, haben sie sich mit jeder Aufnahme gehäutet, verbessert und verfeinert, bis zum radikalen Schnitt mit dem programmatischen Titel „Masterpiece of Bitterness“. Das Ding war so gut, dass man Zweifel haben konnte, ob dessen Klasse nochmals erreicht werden könnte.
Sie konnte. Gesteigert werden. Und nunmehr ist es völlig unmöglich geworden, die Truppe zu klassifizieren. Auch wenn man sich mit Augenzwinkern als (einzigen?) Repräsentanten der NWoIDM: New Wave of Icelandic Doom Metal versteht.
Und Doom ist sicher jede Menge drin, aber auch Post-Metal, Black’n Roll, klassischer Rock und eine Prise Gothic in Gestalt von FIELDS OF THE NEPHELIM. Das Konglomerat ist von entsprechend dichter Atmosphäre: düster, aber nicht depressiv. Im Gegenteil, da steckt mindestens so viel Lebensfreude wie nachdenkliche Melancholie drin… Obwohl sich das auf den ersten Blick etwas wirr und überladen ausnimmt, ist das Ergebnis eine wirklich homogene Einheit.
Man startet instrumental. „78 Days in the Desert“ dauert zwar nicht 78 Tage, aber immerhin 8 Min 34 und versetzt den Hörer für diese Zeit tatsächlich in eine Wüste von mystischer Schönheit; auf den ersten Hör, den ersten Blick wie jede Wüste von melancholischer Tristesse. Aber die Schönheit liegt in den Details und in den weiten Horizonten. Vielleicht assoziiere ich so wegen des Titels, aber es ist ein bisschen wie die metallische Version von „The Joshua Tree“. Dabei dürrer und opulenter zugleich. Relaxter und erregender. Trauriger und tröstlicher.
Diese Stimmungsfülle beseelt das ganze Album bzw. jeden der überlangen Tracks und wird nicht weniger, wenn sich in die melodischen Riffs traumhafte Leads einflechten. Oder wenn dann in „Köld“ nach schraddel-punkigem Beginn endlich Aðalbjörn Tryggvasons Stimme einsetzt: Betörend, beschwörend und oft von berauschender Klarheit. Nur selten wird’s wirklich aggressiv. Selbst wenn schneller wird, wenn z.B. der „Pale Rider“ über die Steppe galoppiert bleibt’s merkwürdig relaxt und unaufgeregt.
Ähnliches gilt also für die Gitarren: die Leads sind betörend, beschwörend und oft von berauschender Klarheit. Das Riffing nur selten wirklich aggressiv. Dafür groovt es wie Sau und rockt aber nicht bloß das Haus, sondern ist wirklich atmosphärenbildend und wird nicht als bloße Unterlage verschlissen. Tryggvasson und Sæþórsson sind ein göttliches Duo, das jeden echten Metaller auf die Knie zwingt --- echte Metaller sind bekanntlich jene, die Black Metal UND Blackmore gleichermaßen zu schätzen wissen.
Und so könnte ich jetzt noch eine Weile rumstammeln, mit Superlativen und Attributen wie „göttlich“, „himmlisch“ um mich werfen oder Euch mit Metapherngestöber langweilen. Ersparen wir uns das. Prüft euer Zelt lieber auf Wintertauglichkeit und schlagt es in der Nacht zum 27. vor euerm Plattenladen auf. Und ich kann mich wieder dem Wesentlichen widmen.