LORDI sind die finnische Antwort auf KISS bzw. deren Gegenstück zu unseren J.B.O. Mit neuem Drummer (Tonmi Lillman verstarb 2012 unerwartet im Alter von 38 Jahren) haben sich LORDI an ihr Album „To Beast Or Not To Beast" gemacht und wer die Monsterköppe vorher nicht mochte, der wird sie auch jetzt nicht plötzlich ins Herz schließen. LORDI beweisen mit ihrem mittlerweile sechsten Album seit der Gründung 1992, dass sie neben dem ganzen Kostümkappes ganz genau wissen, wie man einfachen aber guten Glam Hard Rock spielt.
Mit den Texten ist es wie mit dem Gesamtpaket LORDI, man lacht darüber oder eben nicht. Die Stücke hat man nach weniger als einem Durchlauf drauf, kann sich problemlos in die Shouts einordnen, Fäuste schwingen und auch schon die ersten Riffs mitbangen. Besonders Keyboarderin Hella hat es drauf, die Tasten passend anzuschlagen und die schrägen Horrormelodien passen wunderbar („Horrorfiction"), ebenso wie die liebevollen pseudogruseligen Interludes, die auf den jeweils nächsten Song vorbereiten. LORDI machen, auch ohne sichtbares Make Up, auf „To Beast Or Not To Beast" schon ordentlich Theater. Nebenbei kann man ausführlich das Booklet studieren und die phantasievollen, perfekten Verkleidungen inspizieren. Der Sound scheint mir zu dumpf und könnte deutlich differenzierter sein und mehr Hall und Nachdruck im hohen Bereich vertragen.
Für Partys sind die Stücke aufgrund der Eingängigkeit und des Spaßfaktors wunderbar geeignet, aber das hier ist keine Platte um die Gedanken schweifen zu lassen. Den Anspruch sollte man auch nicht gegenüber einem Werk von LORDI haben. Je später der Abend, desto besser die Songs von LORDI. Sie zünden schnell, verpuffen aber auch leider mindestens genauso schnell. So manches Scherzchen ist schon sehr an den Haaren herbeigezogen und taugt auch nicht für einen zweiten Lacher („Happy New Fear", „Schizo Doll"), aber wenn die Bassdrum poltert und Amen ein lässiges Solo aus dem Ärmel schüttelt, zeigen LORDI, dass auch die handwerkliche Qualität stimmt.
Allerdings habe ich den Eindruck, dass LORDI sich seit Jahren keinen Meter weiterentwickelt haben und doch sicherlich in der Lage wären, eine Platte einzuspielen, die noch mehr kann als live zu überzeugen und zu geselligen Treffen als Hintergrundmusik aufgelegt zu werden. LORDI bewegen sich nicht vor und nicht zurück, Fans finden also altgewohnte Qualität und können zugreifen. Allerdings gibt es keinen Song auf „To Beast Or Not To Beast", den ich hervorheben könnte oder der mir jetzt unbedingt von LORDI gefehlt hätte. Als letzten Track gibt es ein Livesolo des verstorbenen Drummers, welches ich persönlich eher unspektakulär um nicht zu sagen deplatziert finde. (Nadine)
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Unser Redakteur Dirk hat die Scheibe ebenfalls rezensiert und mit zwei Punkten besser bewertet als Nadine. Die Mischung aus beiden Bewertungen ("ok = 5 Punkte" sowie "sehr gut = 7 Punkte") ergibt das obige Gesamtergebnis von gut = 6 Punkte.
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Dirk:
Auch wenn es nicht ganz fair ist, kommt man bei LORDI unweigerlich zu allererst auf den Grand Prix Eurovision Song Contest Sieg zu sprechen, was wahrscheinlich daran liegt, dass die Band sich weltweit damit in die Schlagzeilen spielte. Allerdings muss ich auch direkt klar stellen, dass es nicht fair ist, die Band nur darauf zu reduzieren, denn LORDI spielen richtig gut gemachten Hard Rock, der oftmals durch das spektakuläre Outfit der Band ins Hintertreffen gerät.
„To Beast Or Not To Beast" macht da größtenteils keine Ausnahme, und das obwohl die langjährige Tastenfee Awa die Band verlassen hat. Auch der Tod des Drummers Otus legte die Bandaktivitäten für kurze Zeit lahm. Allerdings konnte er sich in den zwei Jahren seiner Bandzugehörigkeit nur Live präsentieren, ins Studio hat es Otus leider nicht geschafft.
Da muss man sich fast wundern, dass die Band um Mr. Lordi alias Tomi Putaansuu mit „To Beast Or Not To Beast" erneut ein ordentliches Album abgeliefert hat. „We're Not Bad For The Kids" leistet seinen Beitrag, einen guten Einstieg in das Album zu finden. Der Song ist ein zügiger Rocker, der ziemlich 80er Jahre angehaucht ist und leichte Vergleiche zu ALICE COOPER zulässt. Aber auch das ist bei LORDI nicht neu, denn Tomi Putaansuu ist bekennender Fan der 80er Mucke und Querverweise sind auf jedem Album zu finden.
„I Luv Ugly" gibt Neu-Keyboarderin Hella die Möglichkeit, sich in Szene zu setzen, während Amen dem Song ein sehr fettes Gitarrensolo verpasst. Auch wenn „The Riff" nach dem Auftritt von LORDI im Rahmen der Wok.WM oftmals bereits verissen wurde, finde ich den Song megastark. Die Melodie frisst sich ein und der Refrain könnte zum Mitgrölen kaum besser geeignet sein. Das gilt ebenso für das schleppende „Something Wicked This Way Comes". So kennt man LORDI und warum sollten sie auch versuchen, irgendwas an ihrem Stil zu ändern? Auch wenn man oft sagen kann, dass man alle LORDI Songs kennt, wenn man einen gehört hat, trifft das doch auf mindestens die Hälfte aller Bands im Rock und Metal Bereich zu.
Bei „I'm The Best" treten die Monster ordentlich das Gaspedal durch, bauen aber immer wieder Tempiwechsel ein, was den Song an sich sehr interessant macht. „Horrifiction" erinnert mich etwas an „Who's Your Daddy?", was wahrscheinlich am Intro liegt. Der Refrain hat durchaus Ohrwurmqualitäten, fällt aber im Rest nicht sonderlich auf, wodurch wir unseren ersten kleinen Durchhänger gefunden haben. „Happy New Fear" würde ich ebenfalls eher als LORDI-Mittelmaß bezeichnen, weil der Song trotz mehrfacher Rotation einfach nicht richtig zünden will.
Mit dem brachialen Rocker „Schizo Doll" kriegen Mr. Lordi und seine Monster aber wieder die Kurve, schrauben die Qualität wieder den eigenen Ansprüchen an und lassen erneut ALICE COOPER winkend im Kopfkino vorbeilaufen. „Candy For The Cannibal" ist zwar ein guter Song, aber ich mag es absolut nicht, wenn Tomi versucht, klar zu singen. Irgendwie passt das einfach nicht zu den Songs, da will ich lieber die whiskeygeschwängerte Raucherstimme hören.
„Sincerly With Love" ist für mich dann textlich wie musikalisch der einzige Totalausfall auf „To Beast Or Not To Beast". Weder Melodie noch das fast schon nervige „Fuck You Asshole" im Text schreien nach einem Platz auf einem Best-Of Album. Der letzte Song der Scheibe „SCG6 Otus Butcher Clinic" ist dann dem verstorbenen Drummer gewidmet, der hier auch höchst selbst noch einmal live zu hören ist. Nette Geste. Otus hab ich auch auf Livegigs immer bewundert, weil er trotz des ganzen Kostümkrempels so saubeweglich und geschmeidig die Drums verhauen hat.
Fazit: Man muss ehrlich sein, ohne ihre Kostümierung und ihre megasteilen Liveshows sind LORDI eine stinknormale Band, die guten, sehr an die 80er angelegten Hard Rock spielt. Aber das Gesamtpaket macht es eben. KISS waren auch erst wieder in aller Munde, als sie sich wieder in die Spandexhosen quetschten und das Make Up auflegten.
„To Beast Or Not To Beast" ist aber auch musikalisch eine kleine Achterbahnfahrt, denn neben den Highlights „We're Not Bad For The Kids", „Something Wicked This Way Comes" oder „The Riff" geht es mit "Sincerely With Love" oder "Candy For The Cannibal" auch immer mal wieder leicht bergab. Trotzdem kann ich das Album guten Gewissens empfehlen, weil es kurzweilig ist und Partysoundtrack-Charakter besitzt. Und Live kommen wahrscheinlich auch die schwächeren Songs gut. Das Gesamtpaket eben... aber das hatten wir ja schon.