Gleich am Anfang des Reviews entblöße ich eine fatale musikalische Bildungslücke, denn ich hatte mit FLOTSAM AND JETSAM bis dato noch nicht viel Kontakt. Außer vereinzelten Songs und der Tatsache, dass der ehemals Basser Jason Newstedt von METALLICA die Band mitgegründet hat, weiß ich nicht viel über die Speed / Thrashkapelle aus Arizona, die ihr aktuelles Album „Ugly Noise" über Pledge finanziert hat, bevor es einen Deal mit Metal Blade gab.
Der Opener (praktisch die musikalische Umsetzung zum ansprechenden Cover!) ist schon mal erste Sahne, mit dem düsteren Klavierriff und der Art und Weise, wie der Song ohne Rücksicht auf die Hook mithilfe ständiger Wiederholung und dem scharf runtergerissenen Riff in den Kopf gebrannt wird. Überhaupt nicht das, was ich von FLOTSAM AND JETSAM erwartet habe, sondern viel besser.
Der zweite Track schlägt schon deutlicher in die Thrashkerbe und überzeugt mit einem groovigen und staubtrockenen Riff. Ich bin extrem begeistert von Eric A.Ks Gesang, nicht nur bei „Gitty Up" sondern über die komplette Albumlänge. Sehr melodisch, mit Biss und gekonnt gestreuten „Oh Yeah" und „Huuh" – Momenten, so muss das sein und von einem Rookie nicht zu imitieren!
Da ich komplett unbelastet bin, was FLOTSAM AND JETSAM angeht, gehe ich auch unbefangen an „Run And Hide" ran. Ein beeindruckender Bastard aus Midtempo Power Metal, wellenförmigen Bassläufen von Jason Ward und dem grandiosen Gesang, dem beruhigende Chöre den Rücken stärken. Ungewöhnlich klingt der Sound und wahrscheinlich liegt es daran, dass mich das folgende traditionelle „Carry On" nur mäßig überzeugen kann. Thrashig ist das definitiv, aber eben alles schon gefühlte drölfmillionenmal gehört und das „Aiiiiii", welches aus dem „I" geschaffen wurde, finde ich nur nervig. „To Be Free" ist da schon besser gelungen, hat astreine sägende Riffs im Gepäck, packende Shouts, ein Gitarrenduell de luxe und dem Lehrbuch entsprechende Thrashlyrics.
Mit „Rabbits Foot" präsentieren die Power / Speedthrasher eine schon fast poppige Ballade, mit deutlich zu hohem Schmalzpotential. Doch selbst hier können der Gesang und die geschmeidigen Soli etwas darüber hinwegtrösten. Ansonsten stellt der Song einen Tiefpunkt von „Ugly Noise" dar, bitter und stellenweise echt schwer zu ertragen mit textlich hohem Fremdschämpotential. Ähnlich geht es mir bei „Rage", Gitarren und Drums schreiten stetig vergnügt nach vorne und landen doch im Nirgendwo, das andauernd reingerufene „Rage" ist wenig unterhaltsam und richtig sauer wird auch keiner. Rage heißt doch Wut, oder?
„Carry On" zeigt dann aber, dass FLOTSAM AND JETSAM schon im Hier und Jetzt sind und verbindet gekonnt modernes, grooviges Riffing mit ihrem traditionellen Sound. Frisch, aber auch nicht nachhaltig. Im hektischen „Motherfuckery" wird dann wieder im Effektetopf gewühlt und das Ergebnis kann sich hören lassen. Der fiebrige Takt, gepaart mit der Rockröhre, hat Charme und sticht aus der Masse hervor.
Ich finde „Ugly Noise" etwas unentschlossen und kann außer der Stimme keine wirkliche Richtung erkennen. Das scheint auch der generelle Tenor zu sein, denn Reviews von anderen Magazinen zeigen genau das. Jeder scheint die Platte gut zu finden, aber gefeiert bzw. kritisiert werden immer ganz andere Songs. Genau diese Sperrigkeit macht „Ugly Noise" dann auch wieder reizvoll und FLOTSAM AND JETSAM zu einer kreativen Band.
FLOTSAM AND JETSAM können Vieles und machen auch alles gut, verwirren mich aber mit dem Hin und Her und dem ewigen Standgas auf „Ugly Noise". Eine gute Platte von erfahrenen Musikern, die sicherlich nichts mehr beweisen müssen, aber bei weitem kein Meilenstein!