Wir schreiben das Jahr 8389. Die Menschheit lebt nach einem Atomkrieg in der Megacity Sphaerapolis, die unter einer riesigen Glaskuppel (the sphere) von der Außenwelt isoliert ist. „Bricks of glass maintaining our sphere.“ Spacig leitet der Prolog in die dystopische Zukunftsvision ein.
Der Opener „Brick By Brick“ beleuchtet das Schicksal des Protagonisten Xam, dessen Bestimmung es ist, Schäden in der Glaskuppel von Sphaerapolis auszubessern. „I fix brick by brick. I’m born to serve the sphere.“ Mit der gleichen Kompromisslosigkeit starten SPITEFUEL in diesen prächtigen Heavy-Kracher. Sehr nach vorne peitschend, mit massiven Riffs und ultraschnellem Solo untermauern sie ihren Anspruch als moderne Power-Metal-Combo teutonischer Prägung.
Die Bewohner von Sphaerapolis vertrauen ergeben dem Hohen Stadtrat (the Council) und seiner dogmatischen Diktatur, der um die Geheimnisse des perfiden Systems weiß. Diese Elite hält die Menschen klein und gibt vor, dass hinter den Grenzen Gefahren lauern. „Outside there is grief. It’s ours to believe.“ Entsprechend bedrohlich donnert „The Secret“ aus den Boxen, das mit tiefen Gitarren im Industrial-Sound aufwartet und mit feierlicher Hingabe die Verschwörung des Rates zum Ausdruck bringt.
„Dreamworld Collapse“ auf schwindelerregend hohem Niveau
„Overture: Inside The Sphere“ bietet neben den sich genial ergänzenden Gitarren wabernde Synthies, klassisches Klavier und Orchester, und beschreibt, wie Xam sich eines Tages zur Ausführung eines routinemäßigen Auftrages auf den Weg in einen abgelegenen Sektor begibt – entlang der gigantischen Glaskuppel. An der schadhaften Stelle findet er eine Frau unbekannter Herkunft, die sich völlig von den anderen Bewohnern unterscheidet: Brillant White. Ihr langes, schwarzes Haar einem seidenen Fluss gleich, ihre alabasterweiße, zarte Haut scheinbar unberührt von den scharfen Scherben, ihre Augen leuchtend in einem fernen, ungekannten Licht.
„And as she spoke, my world was never like before.“ Mit der schicksalshaften Begegnung beginnt die Traumwelt des Arbeiters langsam zusammenzubrechen: „Dreamworld Collapse“. Das zweiteilige Titelstück mit dem getragenen „Interlude: The Funeral Of Youth“ erweitert den treibenden, melodischen Heavy Metal der Heilbronner um progressive Elemente. Während Xam im ersten Teil die Fremde unbeholfen dem „Council“ ausliefert, entschließt er sich im zweiten, gewissensgeplagt die Gefangene zu befreien. Nach dem mächtigen Beginn wird es im Mittelteil einfühlsamer, bis das Anfangsriff zusammen mit packenden Soli den ersten Part beendet. „In my dreams I see the wilderness.“ Nachdenkliche Akustikpassagen bauen in Part II eine Spannung auf, bis die druckvollen aber filigranen Gitarren zum großen Befreiungsschlag ausholen.
Nachdem Xam in dem fesselnden „Iconic Failure“ die misshandelte Brillant White befreien konnte, werden beide gnadenlos vom „Council“ gejagt, um jeglichen Freiheitswillen im Keim zu ersticken. „This is war. We have to act.“ „Under Fire“ entpuppt sich dabei als rasante, anbetungswürdige Metal-Hymne im Spirit der goldenen Ära – in einem äußerst powergeladenen transparenten Sound über Albumlänge hinweg, der stets von einem schön definierten pumpenden Bass und facettenreichen Drums getragen wird.
Heiligs Blechle – großes Kopfkino!
Die Schlüsselszene der Geschichte und gleichzeitig das Herzstück des Albums stellt das 11-minütige „Brillant White Lies“ dar, in dem SPITEFUEL nochmals alle Register ziehen: gefühlvolle Ballade, bis ins kleinste Detail ausgearbeitetes Monster-Riffing, progressiver Bombast durch perfekt eingewobene Streicherparts sowie Piano- und Flötenspiel. Durchzogen von einer traurig schönen Melodie für die Ewigkeit, die die schmerzliche Trennung der beiden Liebenden vor Augen führt. „In every dream there is a dreamer running free.“ Sänger Stefan Zörner stellt erneut unter Beweis, dass er seiner kratzigen Stimme auch zarte Töne entlocken kann. Im Duett mit Gastsängerin Kerstin Fenchel illustriert er den tragischen Höhepunkt der Story.
„We all have to leave to find our way back home. Into the light.“ Das düster-schwere „Grave New World“ schließt das Drama in einem fulminanten Ende und Xams Aufruf, aus dem gläsernen Sarg auszubrechen. Zu leiser Klaviermusik wird der Schlussakt inszeniert: „Since her departure, I often return to the crack in which I have not the will to repair. To gaze upon the stars in which that cannot be tamed.“
Stefan Zörner sieht bei der Sci-Fi-Story Parallelen zur Gegenwart: „Doktrin und Falschinformationen sind aktuelle Probleme. Wenn die vermeintlich heile Welt aus Schwarz-Weiß-Denken zerbricht und klar wird, dass jenseits der eigenen Grenzen Interessantes liegt, kann das bereichernd und bedrohend sein."
SPITEFUEL werden mit „Dreamworld Collapse“ den hohen Erwartungen gerecht und zementieren scheinbar spielerisch leicht den Ruf, einer der heißesten Metal-Acts Deutschlands zu sein. Der Rezensent fiebert schon dem Metal United Festival in Regensburg entgegen …
P.S.: Einflüsse? ACCEPT, HELLOWEEN, RAGE, RUNNING WILD, SINNER, JUDAS PRIEST, QUEENSRŸCHE
Tracklist:
1. Prologue: 8389 A.D.
2. Brick By Brick
3. The Secret
4. Ouverture: Inside The Sphere
5. Dreamworld Collapse, Pt. I
6. Interlude: The Funeral Of Youth
7. Dreamworld Collapse, Pt. II
8. Iconic Failure
9. Under Fire
10. Brilliant White Lies
Pt. I: What we’ve Chosen
Pt. II: The Raging Quiet
Pt. III: Deconstructing a Falling Star
11. Grave New World
Pt. I: They Shall Have Stars
Pt. II: Dreamworld Revisited
12. Epilogue: 8427 A.D.
Line-up:
Vocals - Stefan Zörner
Guitars - Tobias Eurich
Guitars - Timo Pflüger
Bass - Matthias Lüönd
Drums - Björn-Philipp Hessenmüller
Gäste:
Female Vocals - Kerstin Fenchel
Querflöte - Carolin Engelhardt
Piano - Michael Fiedler