Grundsätzlich haben Ross The Boss und seine drei Mitstreiter alles im Gepäck, was es für die Erstürmung braucht: Absolut klassischen Heavy Metal, heroische Texte, als Auflockerung dezente Synthies zum Untermalen besonders epischer Passagen. Im Vergleich zur Konkurrenz fällt der teils stark ausgeprägte rockige Charakter auf, der zumindest auf dem MANOWAR-Debüt "Battle Hymns" noch eine Rolle spielte. Klingt nach guten Voraussetzungen.
Frühe MANOWAR + Rock-Attitüde + Schwache Vocals = ROSS THE BOSS
Schon im titelgebenden Opener wühlen ROSS THE BOSS fleißig im MANOWAR-Baukasten und graben "Blood Of My Enemies" aus, das mit Gangshouts und einem latent hymnischem Keyboard-Chor garniert wird. Dass der ehemalige MANOWAR-Gitarrist das gar nicht nötig hat, zeigen er und seine Band im rockigen "Among The Bones" mit groovigem Chorus und starken Gitarrensoli. Das episch angehauchte Break mag zuerst nicht zur schmissigen Nummer passen, fügt sich aber spätestens beim zweiten Hören harmonisch ein.
"This Is Vengeance" geht mit galoppierenden Riffs ordentlich nach vorne und gefällt mit hörenswertem Chorus sowie leicht arabisch angehauchtem Solopart, doch Sänger Marc Lopes zerstört mit peinlich tiefem Grollen und zu häufigen Screams viel von der Atmosphäre. Die Riffs im Chorus von "We Are The Night" könnten auch von Jon Schaffer stammen, der hätte im ICED EARTH-Kontext aber deutlich mehr daraus gemacht.
In der Mitte des Albums ist mit "Faith Of The Fallen" dann Durchschnaufen angesagt. Die eingängige Halbballade dürfte mit heroischem Anstrich vor allem Fans von "Heart Of Steel" gefallen. Nach dem knackigen "Devil's Day" inklusive ausladendem Gitarrensolo folgt das siebenminütige "Lilith", das einen echten Höhepunkt darstellt. Der dramatische Aufbau, die Melodien und der Tempowechsel nach dem Break klingen sehr spannend. Selbst Lopes macht - abgesehen von den schrillen Screams (kann es denn nicht mal einen Song ohne geben?) - einen überraschend guten Job.
Das flotte "Play Among The Godz" (oh yeah, mit z!) enthält einen schönen cheesy Refrain, der sofort im Ohr kleben bleibt, bietet aber ansonsten nicht viel Höresnwertes. "Circle Of Damnation" kommt sehr rockig aus den Boxen und erinnert ein bisschen an KISS. Das zackige "Fistful Of Hate" entlässt standesgemäß heavy aus dem dritten Output von ROSS THE BOSS.
Wenn doch bloß der Eric...
Die Gitarrenarbeit von Ross The Boss ist erstklassig. Es macht richtig Spaß, dem Sechssaiter mit Spielfreude beim Riffen und Solieren zuzuhören. Der von Mike LePond gespielte Bass dominant, aber nicht überpräsent, die Drums von Lance Barnewold etwas dumpf, aber songdienlich.
Knackpunkt ist Sänger Marc Lopes. Tiefe, fast schon gegrowlte Passagen klingen zu gewollt, die hohen, viel zu häufig eingesetzen Screams nicht kraftvoll genug, dafür zu schrill. Selbst in mittleren Tonlagen kann der Amerikaner nicht immer überzeugen. Seiner Stimme mangelt es ganz einfach an Charakter, Eigenständigkeit und dem letzten Quäntchen Power, das diese Art von Metal benötigt. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie geil diese Scheibe mit Eric Adams hätte klingen können...
Sei's drum: Rein musikalisch und songtechnisch ist "By Blood Sworn" ein ordentliches, wenn auch über die gesamte Spielzeit von einer Dreiviertelstunde mit Schwächen versehenes, traditionelles Metal-Album. Weil aber die Vocals einen extremem Schwachpunkt darstellen, kann ich das Ding ohne Warnung nicht mal MANOWAR-Alleshörern guten Gewissens empfehlen.
Trackliste:
01 By Blood Sworn
02 Among The Bones
03 This Is Vengeance
04 We Are The Night
05 Faith Of The Fallen
06 Devil's Day
07 Lilith
08 Play Among The Godz
09 Circle Of Damnation
10 Fistful Of Hate
Band:
Ross The Boss - Guitars
Marc Lopes - Vocals, Keyboards
Mike LePond - Bass
Lance Barnewold - Drums