Bruce Dickinson - The Mandrake Project Tipp

Bruce Dickinson - The Mandrake Project

Geschlagene 18 (!) Jahre hat sich BRUCE DICKINSON Zeit gelassen, um sein neues Soloalbum "The Mandrake Project" zu präsentieren. Dabei wurde die IRON-MAIDEN-Sirene erneut vom kongenialen Songwriting-Partner, Multiinstrumentalisten und Produzenten Roy Z. unterstützt, um dem Material den letzten Schliff zu verpassen.

Und wenn schon Steve Harris so angetan von den Songwriting-Künsten seines Sängers war, dass er mit "If Eternity Should Fail" kurzerhand eine für "The Mandrake Project" geplante Nummer aus Dickinsons Solo-Repertoire für IRON MAIDEN verwurstet hat, wie soll dann erst der Nachfolger von "Tyranny Of Souls" in seiner Gesamtheit klingen?

BRUCE DICKINSON trumpft ganz groß auf

Kurz gesagt: Grandios gut. Phänomenal facettenreich. Bodenlos bombastisch. Heavy as hell. Wo BRUCE DICKINSON drauf steht, ist BRUCE DICKINSON drin. Was 1997 mit "Accident Of Birth" und der Rückbesinnung auf alte Metal-Tugenden begann, findet auf "The Mandrake Project" seinen vorläufigen Höhepunkt. Bruce Dickinson und Roy Z., das ist ein Traumgespann. Unterstützt wurde das Duo im Studio erneut von Drummer Dave Moreno und Keyboarder Mistheria. Neben der Gitarrenarbeit kümmerte sich Roy Z. auch um den Bass. Und ganz ehrlich: Vor einem Steve Harris muss sich der Tausendsassa beileibe nicht verstecken!

Während sowohl "Accident Of Birth" als auch der Nachfolger "Chemical Wedding" die zur gleichen Zeit erschienenen seelenlosen IRON-MAIDEN-Fehltritte "The X Factor" und "Virtual XI" gnadenlos an die Wand bliesen, konnte "Tyranny Of Souls" trotz überzeugender Momente nicht ganz mithalten. "The Mandrake Project", mit zehn Songs knapp eine Stunde lang, ist wieder höchster Genuss mit einer der charismatischsten (und besten!) Stimmen der Metal-Szene.

Die Songs auf "The Mandrake Project"

Der düstere Opener "Afterglow Of Ragnarok" gibt die Richtung vor und vereint alle Trademarks, für die BRUCE DICKINSON solo steht. Brachiale Riffs, eine übergroße Bridge und ein epischer Refrain bilden den Rahmen für ein freudiges Wiederhören, das anfangs gar nicht so spektakulär wirkt, doch mit jedem Hausdurchgang wächst.

"Many Doors To Hell" ist danach weniger klassischer Heavy Metal als urwüchsiger, beinahe bluesiger Hard Rock mit klassischen Rock-Riffs, bei denen ich das Publikum bei den anstehenden Live-Konzerten schon bei den einleitenden Gitarren "Hey! Hey!" mitgröhlen höre. Die großartige Midtempo-Nummer überrascht mit warmen Hammond-Sounds, bei denen DEEP PURPLE aus der Ferne grüßen, und enthält ein unvergleichliches Solo von Roy Z. – einem von unzähligen auf "The Mandrake Project".

Vertontes Breitwand-Kino erwartet den Hörer im düsteren, mächtigen "Rain On The Graves". Dickinson geht völlig in seiner Rolle als atemloser Erzähler auf. Garniert wird die mitreißende, zupackende Nummer mit latentem Horror-Feeling und einem absolut grandiosen Instrumentalteil.

"Resurrection Men" wirkt anschließend ein bisschen wie ein Pendant zu IRON MAIDENs großartigem "The Writing On The Wall". Völlig unerwartet schweben nach dem drückenden Einstieg sehnsuchtsvolle Western-Gitarren am Himmel, während Pferde davon galoppieren und für mächtig Outlaw-Feeling sorgen. Junge, ist das geil!
Doch es kommt noch besser: Im Mittelteil wird der Western-Rocker dank fuzziger BLACK-SABBATH-Gedächtnisriffs und grollendem Bass plötzlich zu einem staubtrockenen Ausflug in Richtung Doom Metal und Stoner Rock, bevor es in bester Western-Manier weiter geht. Alter Schwede!

Mit der mystischen Halbballade "Fingers In The Wounds" fährt BRUCE DICKINSON schließlich ganz große Geschütze auf. Innerhalb von nur dreieinhalb Minuten erwarten uns durchgehend majestätische Keyboards, sanfte Akustikgitarren und ein wunderbar epischer Chorus, bevor erneut völlig unerwartet ein instrumentaler Ausflug in arabeske Gefilde ansteht, bei dem der markante Bass als Akzent nachdrücklich im Gedächtnis bleibt.

Wie eingangs erwähnt, fand Steve Harris "Eternity Has Failed" so gut, dass er den Song als Opener für "The Book Of Souls" haben wollte. Dickinsons ursprüngliche Version unterscheidet sich in mehr als nur Nuancen: Das Tempo ist langsamer, der Song enthält eine Strophe weniger (für IRON MAIDEN hatte der Sänger extra eine hinzugefügt), der Instrumentalteil mit seinem treibenden Bass, unglaublich guten Gitarrensoli und Keyboard-Ausflug klingt deutlich homogener, am Ende epischer und witzigerweise sehr stark nach den IRON MAIDEN der ersten beiden Alben, als Dickinson noch gar nicht Bestandteil der Band war.
Im direkten Vergleich gefällt mir Dickinsons Original-Version besser, ähnlich "Bring Your Daughter To The Slaughter". Dennoch interessant, wie ausgerechnet die Rhythmusfraktion Harris und McBrain "If Eternity Should Fail" den typischen MAIDEN-Touch verliehen haben.

Mit zentnerschwerem Bass und hypnotisch düsteren Riffs beginnt "Mistress Of Mercy", das in den zackigen Strophen an den "Accident Of Birth"-Opener "Freak" erinnert. Die Bridge baut Spannung auf, der epische Chorus begeistert und gewinnt am Ende durch die Gitarrenleads im Hintergrund zusätzlich an Erhabenheit. Durchbrochen wird der recht klassische Track von einem tollen Instrumental-Break, dessen Gitarren-Leads auch Dickinsons Hauptband stehen würden.

"Face In The Mirror" ist der vielleicht unspektakulärste Track auf "The Mandrake Project". Die kitschfreie Halbballade mit durchgängiger Piano-Untermalung und Akustikgitarren erinnert latent an "Man Of Sorrows" und sorgt für eine willkommene Verschnaufpause.

Die hält allerdings nicht lange an. Zwar beginnt "Shadow Of The Gods" (bei den ersten Textzeilen "And so we lay …" ergänzt man im Kopf automatisch "... we lay in the same grave") mit Pianosprenklern und Orchestrierung langsam und bedrückend und lässt Erinnerungen an das MAIDEN-Epos "Empire Of The Clouds" aufkommen. Doch wenn dann mit voller Wucht der Gänsehaut-Refrain explodiert, geht es anschließend ordentlich ab. Anfangs getragen und ruhig, wird der Siebenminüter immer packender, härter, düsterer und spielt mit verschiedenen Stimmungen.
Vor allem mit dem bockstarken, knackigen Metalteil erinnert "Shadow Of The Gods" etwas an "Silent Screams" von HALFORDs Soloalbum "Resurrection", auf dem neben Roy Z. als Produzent im Duett "The One You Love To Hate" ja auch Bruce Dickinson beteiligt war. Was für ein Ritt!

Mit dem finalen "Sonata (Immortal Beloved)" folgt bei einer Spielzeit von fast zehn Minuten schließlich der Mammut-Track des Albums. Das Epos ist sehr düster, vielschichtig und erinnert mit seinen Vocals und verstörend wabernden Gitarren eingangs an die Strophen von "Chemical Wedding" ("Walking on a foggy shore"). Mit seinem prägnanten Bass und insbesondere den getragenen, erzählerischen Passagen, in denen Dickinson von King und Ice Queen fabuliert und gesanglich noch einmal ganz groß auftrumpft, ist der Album-Closer ein schwerer Brocken, dessen verzweifelter Chorus ("Save me now") als Fixpunkt noch lange im Kopf nachhallt.

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"The Mandrake Project" ist mehr als nur ein Album

"The Mandrake Project" ist mit begleitenden Comics und seinem Gesamtkonzept ("The Mandrake Project" is a dark, adult story of power, abuse and a struggle for identity, set against a backdrop of scientific and occult genius.) viel mehr als nur ein Album. Das hier nur als Hinweis, denn es ist die musikalische Seite von BRUCE DICKINSON, auf die viele Fans des Sängers seit fast zwei Jahrzehnten warten.

Was soll ich sagen? Das Warten hat sich mehr als gelohnt. "The Mandrake Project" ist ein Metal-Meilenstein, der vor ideenreichem Songwriting, fantastischer Instrumental-Akrobatik und leidenschaftlichen, variablen Vocals nur so strotzt. Vor diesem Mann kann man nur den Hut ziehen.

"The Mandrake Project" Trackliste:

  1. Afterglow Of Ragnarok (05:45)
  2. Many Doors To Hell (04:48)
  3. Rain On The Graves (05:05)
  4. Resurrection Men (06:24)
  5. Fingers In The Wounds (03:39)
  6. Eternity Has Failed (06:59)
  7. Mistress Of Mercy (05:08)
  8. Face In The Mirror (04:08)
  9. Shadow Of The Gods (07:02)
  10. Sonata (Immortal Beloved) (09:51)

BRUCE DICKINSON Line-up:

Bruce Dickinson - vocals
Roy Z - guitars, bass
Mistheria - keyboards
Dave Moreno - drums