Bullet For My Valentine - Fever




Stil (Spielzeit):
 poppiger Melocore (48:35) 
Label/Vertrieb (V.Ö.): Sony BMG (23.04.2010)
Bewertung: 6,5 /10 


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Wer Stacheldraht-Riffs so dick mit einer flauschigen Hülle aus zuckerwattierten Melodien polstert, dass sogar Bluter gefahrlos damit hantieren können… Wer es dank monströser Werbekampagnen regelmäßig in jene stillosen Lifestyle-Magazine schafft, deren wichtigste Anzeigenkunden ihre Jetons mit Aknevernichtung machen…Wenn man wie Matt Tucker von präpubertären Youtubbies „so swee-eet“ gefunden wird,  wie gestern noch Tinky-Winky und morgen ein beliebiger Goa DJ… Dann gehört so eine Band von echten Metallern natürlich amtlich gedisst.... Schnarch!

Aber mal im Ernst: natürlich war BFMVs Verbindung aus harten Riffs und sehr poppiger Melodieführung schon immer grenzwertig; viele der Refrains derart kitschig, dass es einem eiskalt den Rücken runter läuft. Und außerdem waren ca. 95% der Riffs und Leads schon vor fünf Jahren so zerschlissen wie meine älteste Jeans: sei es von AS I LAY DYING, in Göteborg oder von diversen Thrashern.

Nichtsdestoweniger wissen die Waliser einfach, wie man nicht nur stromlinienförmige, sondern dabei gute bis sehr gute Songs schreibt. Zumindest war das mal so. „Poison“ ist ein allgemein anerkannter Killer. Nagut, der Nachfolger war schon etwas arg lasch, auch in Sachen „Hitdichte“, aber gute Songs waren das dennoch… Und die angeblich wegweisende #3?

„Fever“ schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe, ohne den Nimbus des Debüts ankratzen zu können. In Sachen instrumentaler Härte legt man wieder etwas nach und ist doch aufgrund der Gesangsdarbietungen letztlich massentauglicher denn je. Das dürfte dem Abteilungsleiter bei Sony gefallen.
Schon der Einstieg ist exemplarisch für die Stärken und Schwächen des Albums. Stakkato-Drums und -Riffs, gutes Lead und Tucker flüstert, singt und screamt. Das Shouting wird sparsam eingesetzt; der Klargesang ist immer dann richtig stark, wenn Tucker sich in der Phrasierung dem jungen Hetfield annähert; der Refrain geht in Ordnung; der Background-Chor ist so peinlich, dass mir die Kinnlade runterklappt. Uuh-uh… Uargh! Wie gesagt, "Your Betrayal" ist ein guter Indikator für das, was noch kommt.

Zunächst einmal der Titeltrack: und seine Beschreibung liest sich im Prinzip wie die eben. Wobei die Nummer noch leichtgängiger ist. Dann: „The Last Fight“ reiht sich in Liste der Bandklassiker ein und überzeugt in bester Pop-Metal-Manier… und auf ganzer Breite. Der Refrain ist richtig weit vorn und wird uns vermutlich noch eine ganze Weile verfolgen. Das Lead ist richtig klasse: NWoBHM at it’s best.

Die Halbballade „A Place Where You Belong“ ist aalglatt, verschmust und widerlich schwül. Und dürfte punktgenau in Mark und Herz der entsprechenden Klientel treffen. „Power und Pain“ startet mit corigem Geschrei und metzelt auch gut los. Schon ruppig, soweit die makellose Produktion das zulässt. Meine Rübe will gerade losschlackern, da setzt der Chorus ein und ich entscheide mich fürs Fingerschnippen. Flottes Lead übrigens. Prinzipiell eine gute Nummer; der allzu schmissige Chorus zieht der Nummer aber den Zahn und sie ins Mittelfeld runter.

„Alone“ ist reiner Melodic Metal zwischen Speed und Mid-Tempo. Klingt im obligatorischen Woh-ho-Background aber diesmal nicht schauerlich, sondern erfreulich MAIDEN-artig. Auch ansonsten sehr klassisch. Steht der Band gut zu Gesicht, das. Und man mag noch soviel jammern, Tucker ist einfach ein richtig, richtig starker Sänger mit verflucht angenehmer/n Stimme/n. Wieder der gewohnte Kuschelcore mit gutem, erprobtem Riffing, mehrstimmigen Shouts und bös schwungvollem Refrain: „Beaking out, Breaking down“ -- das Strickmuster ist ja eh fast immer dasselbe-- ist im doppelten Wortsinn: Massenware.

Im balladesken Verse-Teil sehr geil ist „Bittersweet Memories“ (Mann, wo finden die nur immer diese Melodien?); der härter instrumentierte, aber gleichfalls langsame Refrain mit süßem Klar- und bitterem Schreigesang fällt dagegen (notwendig) ab. Eigentlich nicht großartig anders als „APWYB“, hat die Nummer einfach mehr Stil. Klar, nun wird Gas gegeben. „Dignity“ ist ein bruchlos zusammengeschraubtes Konglomerat: aus AILD-Riffs und BIOHAZARD-Shouts, MAIDEN-Lead und FOO-FIGHTERS-Refrain. Alles nur geklaut; aber das sehr geschmeidig und mächtig gekonnt.

Auch „Begging for Mercy“ macht Druck und semmelt recht deftig aus der Box. Mit fast schon bösem Einzelgrowl, passt herrlich gar nicht zum gezuckerten Refrain. Cool. Musikalisch am interessantesten ist die Schlussmummer „Pretty on the Outside“. Da gibt’s am Anfang ein Goth-Doom-artiges Riffing, bevor zwischen Highspeed und Stakkato changiert wird. Gut aggressives Shouting und erträglicher Refrain.
Kurzfazit: Etwas sehr zahnlos. Muss man nicht haben; vor allem nicht, wenn man „Poison“ oder eine Melodieallergie hat.

Langfassung: Die Band ist und bleibt ein Phänomen. Einerseits gnadenlos überbewertet, schraubt sie doch nur zusammen, was andere erfunden haben. Andererseits macht sie das richtig gut… und dabei entsteht ein ganz eigener BFMV-Sound. Ihre Kombination aus Zuckerwatte und Stacheldraht mag künstlich sein, sie groovt auch auf „Fever“ wie Sau. Ihre Refrains triefen zwar vor Kitsch aber strotzen auch vor Know-How. Ihr Sänger ist nicht nur  „so swee-eet“, sondern kann auch was. Und viele Mucker dürften ihre linke Hand dafür geben, auch nur einen einzigen Song zu schreiben, der so geschmeidig rein läuft wie die Waliser sie im Dutzend raushauen...