Linkin Park - Minutes To Midnight


Review


Stil (Spielzeit): NuMetal (43:31)
Label/Vertrieb (VÖ): Warner Music (11.05.07)
Bewertung: 4/10
Link: www.linkinpark.com

Dass ihr drittes Studio-Album LINKIN PARK von einer etwas anderen Seite zeigen würde, hatte ich gehofft. Die Statements der Band selbst klangen durchaus vielversprechend: „Wir haben in das neue Album mehr reingesteckt als in jedes davor.“ Produzent Rick Rubin stieß ins selbe Horn: „Sie haben sich wirklich selbst neu erfunden, das klingt nicht mehr wie Rap-Rock. Das Album enthält sehr starkes Songwriting uns es ist sehr melodisch… ein progressives Album!“ Fragt sich, welche Bands Rubin allgemein als progressiv bezeichnen würde, die Songs auf „Minutes To Midnight“ sind es jedenfalls nicht. Oder nur in der Hinsicht, dass die Band tatsächlich neue Wege beschritten hat. Und das nicht gerade zu ihrem Vorteil.

Denkt man sich das schwülstige Intro weg, stellt sich bei den ersten drei Songs der Platte noch kein Unbehagen ein. „Given Up“ bläst einem sogar ordentlich Wind um die Ohren, Gitarrenpower und Chesters charakteristischer Schreigesang bündeln sich hier zu einem bewährten Up-Tempo-Song mit eingängiger Melodienführung. „Leave Out All The Rest“ ist mit Streichereinsatz etwas schmalzig geraten, entfaltet im Refrain aber Ohrwurmpotential. „Bleed It Out“ basiert auf einem simplen Gitarrenlick und schickt Mike Shinoda in gewohnter LINKIN PARK-Manier ins Rennen: Er rappt die Strophe, Bennington ist der Refrain vorbehalten, auch das geht gut ins Ohr.
Danach die erste Überraschung: „Shadow Of The Day“ klingt gar nicht mehr nach LINKIN PARK, eher nach U2. Der Song lässt sich beim zweiten Mal Hören bereits mitsingen, auch hier ertönen wieder sanfte Streicher, und in der Mitte darf eine mit viel Hall unterlegte Gitarre ihre simple Weise anstimmen. Musikalischer Zwischenfall, würde ich sagen, durchaus ansprechend aber etwas saftlos. Die mittlerweile allseits bekannte Single „What I’ve Done“ lädt ein letztes Mal zum Rocken ein, bevor es songtechnisch düster wird um die sechs Jungs. Um nicht zu sagen: Jetzt wird’s richtig finster.

„Hands Held High“ mit marching snare, Streichern, Orgel und Chorgesang lässt nur noch R. Kelly selbst vermissen. Ekelhaft pathetisch, auch textlich bekommt man hier die volle Ami-Pathos-Breitseite bezüglich Krieg und Armut vorgerappt. Unterirdisch schleimiger Song. „No More Sorrow“ agiert wieder mit harten Gitarren, floppt aber spätestens in der Bridge als total missglückter Versuch, düsteres Metal-Feeling mit doomigen Riffs aufzubauen. Authentisch wie Jeanette Biedermann im MOTÖRHEAD-Shirt.
„Valentine’s Day“ kommt nicht zum Punkt und langweilt als vorhersehbare Rock-Nummer mit Klaviergeplänkel, „In Between“ ist mit Schlaflied (Streicher und Elektrogedrömmel) noch nett betitelt, „In Pieces“ braucht auch ewig zum warm laufen und führt letztlich nur auf ein völlig belangloses Gitarren“solo“ hinaus, untermalt von nervigen Elektrobeats. Nicht mal zum Finale reißen LINKIN PARK die Karre aus dem Dreck: „The Little Things You Gave Away“ bemüht ein letztes Mal Streicher, Basis ist auch hier schleppendes Beatgeplucker, zudem verstört ein ungeheuer überflüssiges Gitarrensolo am Ende, das vermutlich „atmosphärisch“ sein soll.

Tja, und jetzt? Die erste Hälfte der Scheibe klingt ordentlich und gibt LINKIN PARK-Fans das, was sie erwarten. Auf der zweiten Hälfte bleibt die Band jedoch so weit unter ihrem Niveau, dass es schon peinlich ist. „Langweilig“ ist noch das Netteste, was mir als Bezeichnung für diese bizarre Mixtur aus U2 und PORTISHEAD einfällt. Der Einsatz von Streichern hat sich bereits nach dem dritten Song abgenutzt und fungiert nur noch als Mittel zum Zweck, die Elektrobeats schraubt jeder 12jährige am Familienrechner packender zusammen, und was die blutarmen Riffs und belanglosen Soli-Versuche anbelangt, da erkenne ich LINKIN PARK einfach nicht wieder.
Was bleibt, sind fünf solide Songs und ein schaler Nachgeschmack, der selbst das Gute überdeckt. Wirklich schade.
Chris

Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!