Mehr als zehn Jahre nach „Music For Speeding“ veröffentlicht MARTY FRIEDMAN ein neues Soloalbum. Es bleibt zu hoffen, dass er diese lange Zeit auch genutzt hat, um Blumen zu ziehen, Tiere abzurichten oder sonst etwas Sinnvolles zu tun. Denn nach einigen Durchläufen von „Inferno“ bleibt nur eine Frage offen: Was soll das?
Den Begriff Soloalbum nimmt der vom Papst persönlich als Gitarrengott anerkannte MARTY FRIEDMAN wörtlich: Der vor allem wegen seiner Vergangenheit bei MEGADETH („Rust In Peace“ bis „Risk“) bekannte Mann shreddert und gniedelt, dass man die Finger schier verschwimmen sieht. Der Effekt gleicht dabei weniger einem Inferno als vielmehr einem China-Böller: Es macht einmal mächtig bumm, aber es bleibt nichts Nennenswertes übrig und schnell fragt man sich, ob man das Geld nicht besser hätte spenden sollen. Auf „Inferno“ reiht sich ein technischer Exzess an den nächsten, den die, ebenso wie FRIEDMAN selbst natürlich handwerklich exzellente, Begleitmannschaft mit atemlosen, hektischen und bis zum Platzen aufgeblasenen Thrash-Prog-Speed-Metal-Monstern untermalt.
MARTY FRIEDMANs musikweltumspannende Stilistik ist beeindruckend. Er ist sicher einer der technisch besten Gitarristen des Planeten. Aber ich bewundere auch Astrophysiker und möchte ihnen trotzdem nicht beim Rechnen zusehen. Für mich bleibt diese Musik selbstgefälliger Lederhosen-im-Spagat-Metal, für den sich ein Blick in internationales Recht lohnen würde – meines Wissens ist seelenloses Zeug wie dieses seit den späten 80er-Jahren verboten. Absoluter Tiefpunkt: die, ähem, Powerballade „Undertow“. Da schüttelt’s einen, so deutlich tauchen vor dem inneren Auge längst verdrängte Bilder von Cowboystiefeln und Dauerwellen im Bühnennebel auf. Schade, dass der Song instrumental bleibt, Bonny Tyler wäre als Gastsängerin nur konsequent gewesen.
Denn MARTY FRIEDMAN hat sich für „Inferno“ eine ganze Reihe Helfer geholt (komplette Liste siehe unten). So gibt es ein paar Stücke mit Gesang, während derer man sich von der Solobeschallung des Meisters etwas erholen kann. DANKO JONES veredelt „I Can’t Relax“ zu einem anständigen Rocker, anderen Stücken drücken Alexi Laiho (CHILDEREN OF BODOM) und David Davidson (REVOCATION) ihre Stempel auf. Das tut gut, führt aber auch zu stilistischen Brüchen auf dem Album. Mehr als drei Punkte sind für „Inferno“ nicht drin: zwei für die technische Leistung, einer für DANKO JONES.
Tracklist von „Inferno“:
1. Inferno
2. Resin
3. Wicked Panacea (feat. Rodrigo y Gabriela)
4. Steroidhead (feat. Keshav Dhar)
5. I Can't Relax (feat. Danko Jones)
6. Meat Hook (feat. Jørgen Munkeby)
7. Hyper Doom
8. Sociopaths (feat. David Davidson)
9. Lycanthrope (feat. Alexi Laiho & Danko Jones)
10. Undertow
11. Horrors (co-written by Jason Becker)
12. Inferno -reprise-
Helge
Stile: Doom Metal, Black Metal, Post Rock, Stoner, Prog
Bands: My Dying Bride, Opeth, Nachtmystium, Saint Vitus, Genesis