Stil (Spielzeit): New Old School Metalcore (43:27)
Label/Vertrieb (VÖ): Abstract Sounds/Plastic Head (04.09.2006)
Bewertung: Vermutlich die beste Metalcore-Scheibe 2006 (10/10)
Link: http://www.deadmaninreno.com
Es gibt manchmal Bands, von denen man noch nie etwas gehört hat und dann landet da auf einmal eine Promo auf dem Schreibtisch. Man packt die CD in den CD-Player und hört gespannt, was einen da erwartet. Oh, sehr rohe Aufnahme, nichts mit langweilig glatt poliert. Oh, Vocals wie sie einen von der Intensität und Art an Damian von MORNING AGAIN erinnern. Oh, zweistimmige, schwedische Gitarren mit leichten Chaos-Einflüssen und übelst fetten Breakdowns. Und das alles gepaart mit einem Songwriting, welches in keiner Sekunde vorhersehbar sondern wohl durchdacht und interessant gestaltet ist. Man ist also begeistert und spielt sich die Scheibe auf seinen MP3-Player. Und dann passiert es: man hört das Album nicht einmal, nicht zweimal, nein sondern drei bis fünfmal am Tag und fängt es immermehr an zu lieben, ja sogar zu verehren. Und man denkt sich: „Verdammt! Das könnte für mich DAS Album 2006 werden!" So geschehen bei mir und der kleinen Band DEAD MAN IN RENO aus Tuscaloosa, die nicht nur nach DIY klingt, sondern es auch noch ist, was ihre Werdensgeschichte bestens bestätigt.
Ohne Label nahm das Quintett ein paar Songs auf und veröffentlichte sie über Myspace.com, was ihnen über einen relativ kurzen Zeitraum eine Fanbase von 40000+ bescherte. Dies erweckte die Aufmerksamkeit von Abstract Records, die sofort einen Vertrag mit der damals noch relativ unbekannten Band abschlossen. Kurze Zeit später wurde innerhalb von nur zehn Tagen das selbstbetitelte Debüt-Album zusammen mit Jamie King (BETWEEN THE BURIED AND ME, THROUGH THE EYES OF THE DEAD) in den Basement Recording Studios in Rural Hall, North Carolina, eingespielt. Das Ergebnis liegt nun vor mir und ich bin mehr als begeistert.
DEAD MAN IN RENO spielen Metalcore, keine Frage. Doch es ist nicht dieser Einheitsbrei-Metalcore, wie man ihn heutzutage von den Labels nur so um die Ohren geworfen bekommt. „Dead Man In Reno" bietet für meine Begriff Old School Metalcore, der mit schwedischen Gitarren angereichert wurde. Man stelle sich einfach vor man mixe MORNING AGAIN und AS I LAY DYING und man kommt ungefähr dorthin, wo DEAD MAN IN RENO stehen. Sie haben die Intensität und Härte von New School Metalcore und mixen ihn mit der rohen Aggressivität von Old School Metalcore.
Neben dieser Stil-Mixtur zeichnet sich die Band aber vor allen Dingen durch ihre Vielseitigkeit aus. Die Gitarren leben nicht nur von zweistimmigen Läufen und dem schon beschriebenen schwedischen Einfluss sondern verwenden ebenfalls dissonante Akkordfolgen und Thrash Riffs und schrecken auch nicht vor längeren Akustik-Interludes und Soli zurück, wie zum Beispiel bei meinem Lieblingssong der Platte, „Cursed". Dabei sind sie die gesamte Zeit extrem innovativ und eigenständig. In der selben Liga spielen Bass und Schlagzeug, wobei letzteres besonders hervorzuheben ist. Der Schlagzeuger begnügt sich nämlich nicht einfach damit „nur" seine Beats zu spielen, was wohl schon schwer genug wäre, sondern lockert sein Spiel durch allerlei Variationen und Spielereien auf. Der Song „Goodbye Tomorrow, Hello Dead Letters" ist ein gutes Beispiel dafür. Hier spielt er in ruhigeren Passagen und vor einem Breakdown auf dem Spannring seiner Snare schnelle Sechszehntel, was eine zwar relativ simple aber trotzdem sehr geile Idee ist und diesen Parts einen bestimmten Flair gibt. Gesanglich wird fast ausschließlich geschrieen, und das eben mit den Aggressivität eines Damians von MORNING AGAIN. Doch DEAD MAN IN RENO haben auch cleane Vocals, verwenden diese aber nur, wo sie auch passen und versuchen sie nicht auf biegen und brechen in einen Song zu pferchen.
Mein Fazit: DEAD MAN IN RENO haben mit ihrem selbstbetitelten Debüt bei meinem Geschmack voll ins Schwarze getroffen. Seit THE AGONY SCENE's selbstbetitelten Debüt und INKED IN BLOOD's „Lay Waste The Poets" hab ich keine Platte mehr so gut gefunden, wie diese, und das ist keine Witz oder eine Übertreibung. Ginge es nach mir, hätte diese Platte sogar 11 Punkte verdient, denn obwohl es heute gerade im Metalcore-Bereich extrem viele sehr gute Bands gibt, die auch des Öfteren eine 10-Punkte-Platte raushauen, setzen sich DEAD MAN IN RENO vor allen Dingen durch ihre Frische und rohe, unverbrauchte Intensität weit von der Masse ab. Für mich sind DEAD MAN IN RENO somit vermutlich eine der besten Metalcore-Bands der letzen Jahre und ich kann absolut jedem nur empfehlen diese Platte zu kaufen und sein Eigen zu nennen.