Nach einem vorsichtig hoffnungsvollen Comeback in weitgehend neuer Besetzung erschien am gestrigen Freitag das neue Album der Band, die streng genommen, so wie sie auf dem Ding zu hören ist, nicht mehr existiert. Ja, so viel sei vorab gesagt, man möchte sich fragen, ob sie selbst während der Aufnahmen als eingefleischte Gruppe von Künstlern wirklich existierte, oder ob nicht eher ein besonders dominantes Fünftel namens Tim Lambesis versucht, krampfhaft das musikalische Erbe seiner Band am Leben zu halten. Was jedenfalls bleibt, ist ein Album, das zwar an der Oberfläche glitzert, im Kern aber vor allem einem zutiefst erschütternden Mangel an Authentizität unterliegt.
Leider geht bei "Through Storms Ahead" nichts ohne Kontext. Wenige Wochen vor Veröffentlichung verließen vier der fünf Mitglieder die Band – mal wieder. War die Band schon 2021 nach der überraschenden Reunion implodiert, Gitarrist Phil Sgrosso aber immerhin mit Sänger Lambesis in der Band verblieben, steht der Frontmann nach den letzten Ereignissen im Oktober endgültig allein da: Alle erst jüngst eingetretenen Mitglieder, darunter Nick Pierce und Ken Susi von UNEARTH und Ryan Neff von MISS MAY I, verließen gemeinsam mit AILD-Gründer Phil Sgrosso die Band. Sie führten dies auf das Verhalten des umstrittenen Frontmanns zurück, der bereits 2013 durch einen Mordversuch an seiner damaligen Frau in die Schlagzeilen geriet.
Bekannte Rezeptur, wenig Neues
Eigentlich brachten alle Musiker nicht nur bemerkenswertes Talent mit in die Band, sondern auch im Kern gutes Songwriting. Musikalisch ist das Album nicht ohne Stärken. Es kommt in der gewohnten Macht und Wucht daher, hält sich aber aber eben auch an die gewohnten Rezepte der Band. Innovation? Fehlanzeige. Dabei hätte genau das eine Band gebraucht, die so sehr unter dem Damoklesschwert der kritischen Öffentlichkeit steht wie eben AS I LAY DYING.
Der Opener „Broken Reflection“ setzt mit druckvollen Riffs und einer dynamischen Struktur den Ton, doch fehlt ihm die emotionale Tiefe, um wirklich zu fesseln. „Burden“, das als erste Single bereits vor Monaten erschien, hebt sich dann mit außergewöhnlihcer Härte und Präzision etwas vom Opener und dem Rest des Albums ab – aber auch hier bleibt der Wunsch, endlich mal was Neues zu hören.
"Whitewashed Tomb" erfüllt dieses Bedürfnis dann zumindest kurzfristig, klingt aber letztlich auch etwas steril und bietet nicht den frischen Wind, den die Band so dringend benötigt. Kurzfristige Höhepunkte der Scheibe finden sich in Form von „The Void Within“ und „The Cave We Fear to Enter“, wobei letzteres tatsächlich durch meisterhaftes Songwriting überzeugt: Die Melodien sind packend, die Riffs wuchtig, und das Ganze entfaltet einen fast hymnischen Charakter. Es ist aber eben auch das einzige Stück, dessen Niveau wirklich ans grandiose Vorgängeralbum „Shaped By Fire“ heranreicht.
As I Lay Trying to sound like the old members
Die Scheibe bleibt insgesamt leider merkwürdig steril. Die Songs wirken wie ein technisch versierter, akribisch konstruierter Nachbau dessen, was AS I LAY DYING einst ausmachte. Die Vorwürfe der mittlerweile Ex-Mitglieder, Lambesis habe kreative Beiträge seiner Mitstreiter unterdrückt und die Songs zu stark in seine eigene Version der Band gelenkt, offenbaren sich an dieser Stelle: Fast möchte man den Drill des Ex-Knackis heraushören, der mit den Beiträgen seiner Bandkollegen unzufrieden ist, weil sie sich einfach nicht in die alten Mitglieder verwandeln wollen, ganz egal, wie oft man sie beleidigt. Es klingt nach AS I LAY DYING, erscheint dabei aber eher als eine Art Hologramm, denn als körperliche, warme Präsenz.
As I Lay Dead
Das zentrale Problem von „Through Storms Ahead“ ist letztlich nicht musikalischer, sondern existenzieller Natur. Es ist ein Album, das vorgibt, von einer Band zu stammen, die es ja eigentlich nicht mehr gibt. Der Konflikt zwischen der Inszenierung einer musikalischen Einheit und der Realität einer zerbrochenen Gruppe durchzieht leider jeden Song wie ein hässlicher Riss. Das künstlerische Können ist da, auch die klangliche Wucht und die Präzision, für die der Bandname seit jeher steht – aber nichts davon überzeugt so richtig, es scheint wie auf einem Fundament aus Unwahrheiten aufgebaut.
AS I LAY DYING klingt im November 2024 wie eine Persiflage auf sich selbst. Dass Lambesis sich nicht die Mühe gemacht hat, mit der frischen Besetzung eine neue klangliche Identität zu entwickeln, sondern stattdessen an der altbewährten Formel klebt, ist ein künstlerisches wie strategisches Versäumnis. Das ist ganz besonders schade, nachdem die Kombination der beiden ersten Singleauskopplungen vielversprechend klang und eine neue musikalische Bandbreite andeutete, die eigentlich Bock auf mehr machte.
Ja, vorsichtig kam damals die Hoffnung auf, dass aus der Band nach all dem Mist der Vergangenheit doch nochmal etwas würde. Mit dem erneuten Zerfall der Gruppe ganze drei Wochen vor Release der Scheibe mangelt es dem Ding nun aber leider doch sehr an Integrität.
„Through Storms Ahead“ ist letztlich kein schlechtes Album, doch es ist ein unaufrichtiges, und es macht einfach leider keinen Bock. Der Versuch, an die Größe vergangener Tage anzuknüpfen, scheitert letztlich daran, dass die Geschichte von AS I LAY DYING sich längst überholt hat.
So bleibt ein Werk, das musikalisch kompetent, aber emotional leer ist. Und damit bleibt auch die seltsam paradoxe Haltung zur Band, die in dieser Form, zumindest meinerseits einzigartig ist: gute Musik, aber man hat wirklich kein Bock mehr. Kein Bock mehr auf AS I LAY DYING. Ja, leider sind wir an diesem Punkt angelangt.
Wer Bock auf neue Musik hat, dem sei an dieser Stelle eher das am selben Tag erschienene neue LINKIN PARK-Album empfohlen. Traurig eigentlich.