John Doe - In My Own Cage Tipp




Stil (Spielzeit): Crossover (Grunge / Nu-Metal / Rock / Garage) (29:45)
Label/Vertrieb (VÖ): PH-Music (05.11.07)
Bewertung: 9 / 10
Link: http://www.johndoe.at
http://myspace.com/frustrock

John Doe heißt im Umgangsamerikanisch “Otto Normalverbraucher”. Oder bezeichnet in kriminologischen Zusammenhängen eine unidentifizierte Person bzw. deren leblosen Reste. Ich weise mal anhand der Texte und der Musik eher in die zweite Richtung; denn für „Otto N.“ ist das nicht, was JOHN DOE so produzieren.

Dagegen ist die Band JOHN DOE zumindest formal recht leicht zu identifizieren: 3 Leute aus Graz, nämlich Tobias Neuhold (b / voc), Matthias Sauseng (dr), Christian Grössl (git / voc). Einer sieht noch recht jung aus. Zwei noch jünger.

Ich meine, und das nicht negativ, dass man das auch ihrer Musik anhören kann. Einerseits. Andererseits klingen die Laute auch überaus erwachsen. Ersteres betrifft die Energie, mit der die drei agieren. Letzteres die Tatsache, das sie einen wie ich finde sehr eigenen, mutigen Stil entwickelt haben.

Er ist (von der Band selbst) treffend als eine Mischung aus Grunge, Rock, Metal und Garage beschrieben, wobei mir der Begriff „Metal“ etwas zu indifferent ist, die metallischen Klänge klingen eher „Nu“. Die Bestandteile aber sind letztlich zweitrangig. --- Wichtiger ist, dass das Ergebnis, ziemlich schizophren rüber- und dennoch knackzart auf den Punkt kommt. Klingt Widersprüchlich? Ja, gut.

Nur so --in Widersprüchen-- kann ich auch weiterreden: Hysterisches und doch unterdrücktes Kreischen… irgendwas zwischen Wut und Verzweiflung (man weiß nicht: haut er dem nächst Besten gleich eine rein oder eher sich selbst… oder fängt er doch bloß an zu heulen?). Und dieses nervös-nervige Geschrei trifft auf eine charaktervolle Klarstimme, die warm, beruhigend und doch von ganz eigener Trauer erfüllt, die Gegenkraft stellt. Dazu gesellen sich Passagen wie der Refrain von „I Don’t Know“, die auch schon mal Hitcharakter haben…

„In My Own Cage“ ist alles andere als leichte Kost. Dazu ist es zu neurotisch. – Der Begriff „Frustrock“, den man der Band angehängt hat und mit dem sie selbst auch kokettiert, ist mir zu platt. Trifft die reflektierte Tiefe einfach nicht; wenngleich zuzugeben ist, dass das Album frustrierende Wirkung haben könnte. Gefangen zwischen hysterischer Wut / panischer Verzweiflung einerseits und dem desillusionierten Weltschmerz der beruhigten Phasen kommt mal so gar kein Licht in den Käfig. Beklemmend. Dieser Widerstreit der Temperamente schlägt voll auf die Gangart der Stücke durch.

Sie sind im Schnitt sperrig, zerhackt und grooven dennoch wie Sau. (Ich weiß, ein Widerspruch.) Hartes, unspektakuläres Riffing und daneben eine fast schon „beschwingte“ Leichtigkeit mit unverzerrten, auch mal gezupften Tönen. Aber „beschwingt“ ist hier nie dasselbe wie flach. Nicht einmal bei dem angetäuschten Kuschelhit, der akustischen Ballade mit Cellounterstützung, „Wasn’t Me“. Auch die hat Tiefgang. Das ist bittersüß. Erinnert mich neben den ganz großen Balladen des Grunge auch etwas an THE MISSION. Das einzige Stück übrigens, das nicht „schizo“ ist.

Wie gesagt: das Album könnte frustrierende Wirkung haben. Das mag manchen vom Kauf abhalten, kann ich aber nur als Stärke empfinden. Auch die Tatsache, dass die Songs grundsätzlich recht ähnlich strukturiert sind, sehe ich nicht als Problem: 1.) scheint es mir genau darum zu gehen: den immer gleichen Widerstreit abzubilden, mit dem alltäglichen zwischen- und innermenschlichen Irrsinn umzugehen. Und 2.) sind zu viele spannende Details gestreut, die Stücke in sich zu abwechslungsreich.
Apropos Detailreichtum: Es ist erstaunlich, wie viel in so kurzen Stücken passieren kann (Elf Nummern in einer ½ Stunde…). Dazu gehört auch der Umstand, dass das endlich mal wieder ein Album ist, bei dem der Basser nicht nur Soundlöcher zustopft. Und bei dem der Drummer auch und gerade in langsamen Passagen richtig Spaß macht.

Während ich mich also über die zahlreichen Finessen und einen konzeptionellen Faden freue, der sich durch das Album zieht , könnte manch anderer die Stücke im Einzelnen bloß als konfus und nervig erleben, und das Album insgesamt als eindimensional. Dies ist mehr als der überflüssige Hinweis, dass Geschmäcker verschieden sind. JOHN DOE sind extrem; an ihnen müssen sich ganz einfach die Geister scheiden. Und so scheinen JOHN DOE schon manch Schelte abgekriegt zu haben, wenn man einer entsprechenden Bemerkung auf dem Cover glauben soll. Den Österreichern ist darin zuzustimmen, dass sie keine Musik für die breite Masse produzieren. Und es besteht die realistische Chance, dass sie sich zwischen alle Stühle setzen. Aber das ist ihnen sicher schnurz.

Dass sie mir gefallen, liegt's gar daran, daß ich weder mit Grunge, Korn, Helmet, noch Rock oder Garage etwas anfangen kann?

Unbedingt und sorgfältig antesten! (--Leider sind die auf myspace geparkten Songs nicht repräsentativ für dieses Album. Nur zwei von vier Songs sind von „I.M.O.C“. Zudem sind „Down“ und „Suffer“ genau die beiden, die ich gerade nicht zu Werbezwecken ausgestellt hätte. Meine Anspieltipps wären eher: „Go Away“, „Wasn’t Me”, „I Don’t Know”, What Is Wrong with Me”.)