Declamatory - Losing Patience with the World




Stil (Spielzeit): thrashed modern Metal oder Metal 2.0 (ca. 22 min)
Label/Vertrieb (VÖ): Eigenprod. (2009)
Bewertung: 7,5 / 10

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Das Besondere an der EP sei, schrieb uns DECLAMTORY-Gitarrist Toni Watzinger, dass sie nur online und nur gratis vertrieben wird. Einspruch. Das ist zwar eine hübsche Marketing-Idee, aber das wirklich Besondere an „Losing Patientience with the World" ist einfach mal die Musik. Da das Resultat in voller Länge daunlohdbar ist, kann man sich hier wohl kurz fassen.
Die Berliner machen augenzwinkernd die nächste Schublade auf: In Anlehnung an Web 2.0 gibt's angeblich Metal 2.0. Wie Web 2.0 bedient man sich dabei neuerer, aber auch lange bekannter Techniken. Oder weniger verschwurbelt: während 9 von 10 Bands in immer spezielleren Marktnischen ihr Zuhause suchen, mutet uns das Quintett zu, einfach nur mal wieder leicht (neo-) thrashigen Heavy Metal zu hören, der durch einige Zugeständnisse an den Zeitgeist erfolgreich verhindert, altbacken zu klingen.

Was das Ganze so unterhaltsam sein lässt: AUSGEWOGENHEIT. Da geht's zwar vorrangig im Up-Tempo durch die Botanik, aber im zumeist richtigen Moment wird abrupt die Bremse getreten, damit das nicht zu glatt wird. Da offenbaren die Berliner dann eine Vorliebe für das Stakkato. Die Leads schicken dynamische Melodien ins Rennen, die Riffs sind stramm bangkompatibel. Gelegentlich klingt's in Strukturen ein bisschen nach Metalcore: Catchy Refrains vs. ruppige Verse. Das spiegelt sich auch im Gesang: thrashiges Shouting gegen harmonische Chöre mit Ohrwurmcharakter. Zum Glück gibt's keine corige Hysterie. An Melodeath erinnern die gelegentlich, aber nicht zu aufdringlich eingesetzten Synthies. Die Einflüsse könnten von DEATH ANGEL über MACHINE HEAD bis hin zu INSOMNIUM reichen. Ebenso gut liessen sich  ganz andere Namen anführen, sogar aus dem Nu-Metal Umfeld. Wobei mir Letzteres eigentlich gar nicht behagt; aber die Jungs sind so thrashlastig, "die dürfen das".

Dass dieser alt-neue Stilmix nicht nach hinten losgeht, liegt wohl daran, dass die Band weiß, wie man Songs arrangiert. Obwohl in Sachen Tempo- und Akkordwechsel so allerhand geboten wird, verliert man als Hörer nie die Übersicht... Und wenn ich persönlich zwar meine Faves schnell ausgemacht habe („Collapse" & „War Sell$"), dann will ich nicht damit andeuten, dass die anderen Tracks weniger Potential haben, sondern nur etwas länger brauchten, sich festzufräsen. Spaß machen sie alle....

Ein Wort noch zum Sound (und die Jungs werden sich bestimmt totlachen, haben sie doch extra vor dem gewarnt). Die Stücke sind nicht in einem Ritt produziert worden, und so sind tatsächlich Unterschiede wahrzunehmen; aber ob tendenziell etwas trockner oder fetter, letztlich haben DECLAMANTORY hier wie bei der Musik eine ausgewogene Mischung hinbekommen, die mir richtig gefällt: organisch, transparent, knackhart, ohne in eine bestimme Richtung zu überziehen. Feine Sache, die zwar deutlich macht, dass man nicht unbedingt eine Plattenfirma braucht; aber bei soviel Potential wäre etwas (finanzielle) Unterstützung doch sicher schön... Die Litanei über schlafmützige Labels ersparen wir uns.

Hier könnt ihr Euch kostenlos Euer eigenes Urteil bilden: http://www.declamatory.de/OnlineEP/ (inkl. Artwork).

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