Stil (Spielzeit): Modern Metal (60:25)
Label/Vertrieb (VÖ): Mystic Production (15.06.09)
Bewertung: 9 / 10
Link: http://www.myspace.com/rootwater
Hat ein bißchen gedauert... Aber mittlerweile finde ich die so richtig gut! Konnte ich diesem äußerst eigenständigen Musikstil beim allerersten Durchgang noch kaum etwas abgewinnen, so bin ich nun beim - grob geschätzt - zweihundertsten angelangt, und ehrlich gesagt zeichnet sich noch immer nicht die geringste Motivation ab, „Visionism“ und CD-Player voneinander zu trennen. ROOTWATER ist definitiv eine potentielle Lieblingsband. Für mich, für Euch, für Eure Partner, Geschwister, Eltern, Freunde, Feinde... Jeder Musikliebhaber mit Hang zu schweren Gitarren, der sich möglichst nicht vom ersten Eindruck zu sehr beeinflussen lässt, muss unbedingt mal ein Ohr riskieren! Ja, richtig, das war ein Befehl. Kein gut gemeinter Vorschlag wie beispielsweise Verkehrsregeln, sondern absolute Pflicht. Oder meint ihr, der obige Myspace-Link dient lediglich der farblichen Abwechslung zwischen all dem Schwarz-Weiß?
Also jetzt mal im Ernst... ROOTWATER machen echt Laune! Um mindestens ebenso euphorisch zu schwärmen wie ich, sollte man möglichst folgende Voraussetzungen erfüllen: Eine Vorliebe für nicht hundertprozentig klar definierbare Musikstile; die Unfähigkeit, sich zu entscheiden, ob man eher auf eingängige Melodien oder harte Nackenbrecher-Riffings steht; die Neigung zu etwas musikalischer Abgedrehtheit; eine Schwäche für modernen Thrashmetal der Marke MACHINE HEAD; die Bevorzugung innovativer Ideen gegenüber herkömmlichen Songstrukturen; ein Faible für drückende Soundgewänder; große Teile der SOILWORK-Discographie und mindestens ein MUSHROOMHEAD-Album im CD-Regal. Wer sich hier wiederfindet, der hat das Album schon so gut wie gekauft. Wem ROOTWATER durch die drei vorangegangenen Veröffentlichungen bereits ein Begriff ist, der kann sowieso bedenkenlos zugreifen.
Denn die fünf durchgedrehten Polen sind ihrem bisherigen Stil treu geblieben. Der Folk-Anteil wurde zwar etwas zurückgeschraubt, doch glücklicherweise nicht gänzlich entfernt. Dafür haben einige ganz neue Einflüsse Einzug in die Welt des Wurzelwassers gefunden. So wird das außergewöhnlich mitreißende Meisterwerk „Under the Mask“ beispielsweise durch treibende Jungle-Drums zu einem der absoluten Höhepunkte auf „Visionism“. Insgesamt besitzen die Refrains nun viel mehr Ohrwurmpotential und sind teilweise regelrecht melancholischer Art. Die brutalen Riffings dazwischen hingegen bestechen durch deutlich erhöhte Skills in Sachen Groove und Rhythmik. Präsentiert wird das Ganze in einem modernen Soundgewand, welches massiver kaum sein könnte. Wenn nach dem knapp dreiminütigen Intro der Opener „Living in the Cage“ in der neununddreißigsten Sekunde beginnt, richtig aufzudrehen, fühlt man sich wie erschlagen und beginnt, über eine Klage wegen gefährlicher Körperverletzung nachzudenken. Doch die Wunden werden noch im selben Song vom sanften und ungemein melodischen Refrain wieder gesundgepflegt. Und dieses Wechselspiel von Brutalität und Melancholie zieht sich dann auch über die komplette Scheibe.
Die einzige Band, welche mir eine vergleichbare Mischung bisher derartig hochwertig näherzubringen vermochte, ist die französische Ausnahmegruppierung DAGOBA. Wenn man will, könnte man ROOTWATER als eigentümliche Kombination aus SOILWORK, DAGOBA und SYSTEM OF A DOWN beschreiben. Und dieser SYSTEM OF A DOWN-Anteil ist es auch, welcher bewirkt, dass die fünfzehn Tracks auf „Visionism“ vielleicht nicht jeden auf Anhieb überzeugen können. Zu abgedreht könnten vereinzelte Parts plötzlich auf den unvorbereiteten Hörer herfallen. So ging auch meine erste Einschätzung der Punktevergabe, als der streckenweise recht nervig anmutende vierte Track „Frozenthal“ das erste Mal aus meinen Boxen schallte, eher in Richtung „maximal 6“. Doch mit jedem Durchgang stieg der Wert, bis ich letztendlich fast verleitet bin, die Höchstwertung zu vergeben...
Übrigens: Obiges Veröffentlichungsdatum gilt nicht für Deutschland! Hier wird die Scheibe erst seit Kurzem vertrieben. Nicht, dass Ihr mich für noch langsamer haltet, als ich bin...