eluveitie.ch
Die Schweizer ELUVEITIE sind einer der wenigen Acts, die in ihrer ganz eigenen Metal-Nische spielen. Bisher ist mir noch keine andere Band begegnet, die auf eine ähnliche Art melodischen Todesblei der alten Göteborg-Schule mit keltischem Folk verbindet. Nach den letzten beiden Studiowerken "Slania" und "Everything Remains (As It Never Was)" legt nun auch das beeindruckende vierte Album "Helvetios" Zeugnis von der Qualität der geschichtsverliebten Truppe ab.
So originell und einzigartig der Sound des Oktetts auch ist, irgendwann läuft es zwangsläufig Gefahr, sich zu wiederholen und in einem zu starren Korsett gefangen zu sein - so könnte man meinen. Solche Bedenken lassen sich nach dem Hören von "Helvetios" jedoch mühelos vom Tisch fegen, denn ELUVEITIE bereichern ihren Klang um neue Elemente, die erst gar nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass es sich die Schweizer zu einfach machen und sich in ihrem eigenen Katalog bedienen. Wie auch der Vorgänger zündet "Helvetios" nicht direkt beim ersten Hören, sondern muss sich ein wenig entwickeln. Das liegt vorrangig an der Fülle an Details, die es zu entdecken gilt: Neben einem von Schauspieler Alexander Morton gesprochenen "Prologue" und dem in der zweiten Hälfte an das "The Boondock Saints"-Theme erinnernde "Epilogue" (das Konzeptalbum basiert textlich auf dem Gallischen Krieg 58-50 v. Chr.) zeigen ELUVEITIE mit schnellen Dampfhämmern, folkigen Nummern und der gewohnt bravourösen Mixtur aus melodischem Death Metal und keltischen Instrumenten, gepaart von eingängigen Melodien und Refrains, die gesamte Bandbreite ihres musikalischen Könnens. Neu hinzu kommen leichte Orchestrierungen und Chorgesänge, die für Filmscore-Feeling und Epik sorgen. So taucht man in Gedanken noch tiefer ins Kriegsgetümmel ein, während die dichten Kompositionen ständig eine spannungsgeladene Atmosphäre und Dramatik versprühen. Ergänzend hat Produzent Tommy Vetterli sein Bestes gegeben, um "Helvetios" wuchtig und extrem gut ausbalanciert klingen zu lassen. Insbesondere unterm Kopfhörer kann man sich völlig in der Breitwand-Produktion, die den keltischen Instrumenten immer genügend Raum lässt, verlieren.
In erster Linie ist es jedoch den Musikern zu verdanken, dass das vierte ELUVEITIE-Album zu einem solchen Ohrenschmaus geworden ist. Das Songwriting ist durchgehend erstklassig, Ausrufezeichen setzen der schnelle Titeltrack mit seiner epischen Note, das heftige "Meet The Enemy", "Hope" und "Havoc". Richtig himmlisch wird es aber, wenn Drehleier-Spielerin Anna Murphy als Gegenpol zu Chrigel Glanzmann ihre variable, leidenschaftliche Stimme präsentieren darf, wie in dem formidablen "A Rose For Epona" oder "Alesia". Beide Songs zählen zu den Höhepunkten auf "Helvetios", das an extrem starken Nummern wahrlich nicht arm ist, und rechtfertigen bereits den Kauf dieser CD.
Mit "Helvetios" ist ELUVEITIE das am meisten ausgereifte und bisher beeindruckendste Album ihrer Karriere gelungen. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich keltische Instrumente und brachialer, hochmelodischer Death Metal ergänzen, ist einzigartig und sollte von jedem genossen werden, der auch nur ein bisschen was mit Folk oder Pagan Metal anfangen kann. Noch ein kleiner Tipp: Greift zum schön aufgemachten Digipack, das neben "A Rose For Epona" in einer nicht weniger hörenswerten Akustikversion eine Bonus-DVD mit Videoclips, Interviews und Liveclips enthält. In der Luxus-Version macht sich "Helvetios", das schon jetzt als ganz heißer Anwärter auf den Pagan/Folk Metal-Thron 2012 angesehen werden muss, noch besser.
Stil (Spielzeit): Pagan/Folk Metal (59:10)
Label/Vertrieb (VÖ): Nuclear Blast (10.02.12)
Bewertung: 9/10
Chrischi
Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten
Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...