Alestorm - Black Sails At Midnight Tipp




Stil (Spielzeit): „True Scottish Pirate Metal“ (46:11)
Label / Vertrieb (VÖ): Napalm Records (29.05.2009)
Bewertung: 9/10

Links: http://www.alestorm.net

Und die Ratte ist auch wieder dabei....

Was ich damit sagen will, ist, dass sich auch auf dem Cover der zweiten ALESTORM-Veröffentlichung „Black Sails At Midnight“ wieder die lustige, skelettierte Ratte finden lässt, die mich damals auf das 2008 erschienene Debut „Captain Morgan's Revenge“ der drei Schotten plus einem Fremdgänger aus Irland aufmerksam machte. Mit einem Humpen Ale in der einen Pfote und einem winzigen Säbel in der anderen prostet sie dem geneigten Hörer zu und ich proste zurück.

Wenn eine Band mit ihrem Debüt bereits für Furore sorgt und sich mit zahlreichen Live-Auftritten in die Herzen der Metalheads spielt, ist die Gefahr immer groß, dass die Euphorie mit dem zweiten, spätestens mit dem kritischen dritten Album versiegt. Nicht so bei ALESTORM, die mit „Black Sails at Midnight“ einfach ein bombastisches Album voller Spaß, guter Laune und harten Gitarren abgeliefert haben, das meiner Meinung nach das Debut noch um eine ganze Umdrehung toppt. Wir haben mitreißende Melodien, die unvermeidliche Double-Bass als Motor und nicht zuletzt Refrains, die einfach nur darum betteln, mitgesungen zu werden. Ja, es gibt auch einen gewissen Schunkelfaktor – das will ich nicht abstreiten -, aber Leute, das hier macht einfach nur irre viel Spaß. Wäre Captain Jack Sparrow ein Metalhead, würde er bei ALESTORM in der ersten Reihe stehen und die verfilzten Haare fliegen lassen.

Mit dem wegweisenden „The Quest“ beginnt das Piratenabenteuer mit einer schmissigen Uptempo-Nummer, die von vorne herein klar macht, dass Akkordeon-Allergiker hier nichts zu suchen haben. Spätestens nach dem zweiten Durchlauf erwische ich mich dabei, dass der Refrain schon eine Tätowierung in meinem Trommelfell hinterlassen und einigen Schaden an meiner Nackenmuskulatur angerichtet hat.
Lange Läufe auf dem Akkordeon kündigen „Leviathan“ an, gefolgt von etwas, das verdächtig nach Fanfaren klingt und dem Song etwas Hymnisches verleihen. Auch hier setzen sich Melodieverlauf und Worte schnell im Kopf fest und ich drehe den Regler verstohlen ein wenig höher, hoffe, dass unsere Nachbarn nicht zuhause sind.
„ The famous ol' spiced“ wirkt am Anfang ein wenig getragener, was sich aber schon bald als Trugschluss erweisen soll. Bei diesem Song erleben wir wieder einen ganzen Satz Fanfaren, aber auch die Gitarren rücken merklich in den Vordergrund.Bei dem folgenden „Keelhauled“ bricht mit Akkordeon und Violine brachial die Folkkomponente durch und zündet ein Feuerwerk an, das sich nicht mehr toppen lässt. Dieser Song schreit danach, live gespielt zu werden und die Meute aufzumischen. Dagegen kann man sich nicht wehren, keine Gefangenen.
Danach erwartet den geneigten Hörer mit „To the end of our days“ die erste und einzige ruhigere Nummer in Form einer düsteren Halbballade, die mich stark an irische Folksongs der eher tragischen Art erinnert. Gleichzeitig kommt aber auch – man möge den Vergleich entschuldigen – stimmungstechnisch ein gewisser MANOWAR-Effekt auf. Die Fist raisen, den Kopf heben und seinem Ende aufrecht entgegen sehen haben wir an anderer Stelle schon oft zelebriert, aber es passt und versetzt einen einfach in die richtige Stimmung.
Der Titeltrack erweist sich extrem metallastig und kommt mit wesentlich weniger, wenn auch nicht ganz ohne Folkkomponenten aus, hat teilweise sogar schon fast etwas Thrashiges an sich, das ich so mit Sicherheit nicht erwartet habe, aber sich dennoch sehr gut ins Gesamtbild einfügt.
Der nächste Song überrascht nicht nur dadurch, dass er komplett instrumental und dennoch unheimlich mitreißend ist, sondern auch dadurch, dass ich mich beim ersten Durchlauf suchend umsah und mich fragte, ob jemand in der Nähe gerade „Pirates of the Carribbean“ schaut und den Fernseher ein bisschen arg laut hat. „No quarter“ erinnert stilistisch stark an den Soundtrack der Trilogie, wird aber durch starke Gitarrenläufe in bester Power Metal-Manier aufgepeppt und auf eine andere Ebene gehoben. Überhaupt wird im zweiten Teil des Albums mehr Fokus auf Gitarrensoli gelegt, was der folgende „Pirate Song“ eindrucksvoll beweist.
„ Chronicles of Vengeance“ dreht gerade vom Drumming her noch einmal extrem auf. Würden die sehr mächtigen Keyboardteppiche nicht stets die Melodie retten, gibt es hier Passagen, wo man schon fast von Geknüppel reden kann. Natürlich nur, um gleich darauf wieder eines besseren belehrt zu werden und mit Fanfarenklängen überschüttet zu werden.
Wer bis hierhin noch nicht verloren ist, der sollte es spätestens mit „Wolves of the sea“ sein. Hier ist der Wiedererkennungswert einfach gigantisch, der Drang mitzusingen überwältigend, der Einsatz der Steel Drums im Mittelteil unerwartet, der Song in seiner Gesamtheit schlicht genial.

Insgesamt lässt sich nur neidlos sagen, dass ALESTORM einfach ein irres Album abgeliefert haben. Natürlich ist das hier kein progressiver Metal, natürlich erinnern die Jungs bis zu einem gewissen Punkt in ihrem Image an die legendären RUNNING WILD, aber musikalisch sind sie absolut nicht zu vergleichen. Folklastige Alben haben so oft das Problem, dass sie nach dem zweiten oder spätestens dritten Song zu einem Einheitsbrei verkommen und das vermeiden ALESTORM einfach. Selbst wenn man einzelne Momente hat, wo man abgelenkt wird, ziehen sie die Aufmerksamkeit doch spätestens beim nächsten Song wieder auf sich und das ist in meinen Augen alles andere als selbstverständlich.

Also, wer halbwegs Spaß versteht, wer sich mit epischen Metal und Folkeinschlag anfreunden kann: Leute, das hier ist EURE Band und EURE CD.

Nachtrag: Der Fairness halber muss ich hinzufügen, dass es sich bei dem von mir hochgelobten Track "Wolves of the sea" um eine Coverversion handelt, wie ich gerade zufällig entdeckt habe. PIRATES OF THE SEA haben 2008 mit diesem Song für Litauen am Eurovision Songcontest teilgenommen.