Stil (Spielzeit): Post-Rock, Progressive, Ambient Doomcore (50:58)
Label/Vertrieb (VÖ): Metal Blade (12.04.2010)
Bewertung: 9,5/10
Link: www.myspace.com/theoceancollective
Schnell war gestern. Die wild durcheinander stürzenden Winde und Fluten von „Aeolian“ bzw. „Hadean/Archaean“ haben sich beruhigt und sich zu einem langsam fließenden Strom verdichtet. Grob gesagt, setzen THE OCEAN ihre Himmelfahrt genau dort an, wo „Proterozoic“ aufhörte – unter der Prämisse, dass grobe Beschreibungen dem gigantischen Klangkosmos von THE OCEAN nicht im Geringsten gerecht würden.
„Heliocentric“ ist die Krönung des bisherigen Schaffens der Band. THE OCEAN sind endgültig erwachsen geworden, sich ihrer Stärken und Schwächen bewusst und damit (zumindest gefühlt) die Herrscher über Himmel und Ozean geworden. Man kann sagen, was man will – derzeit gibt es keine zeitgenössische populäre Band, die das Gefühl der Weite von Himmel und Erde derart intensiv erlebbar macht.
Der erste entscheidende Faktor dieses Erwachsenwerdens liegt in der Band selbst begründet. In der Vergangenheit gab es außer Bandgründer und -boss Robin Staps (Gitarre) kaum eine Konstante; das erweiterte Kollektiv mit all seinen Gastmusikern und -künstlern ist so umfassend, dass wohl kaum jemand außer Robin Staps selbst eine Übersicht dessen haben kann.
Der nunmehr seit zwei Jahren bestehende Kern der Band konnte sich bei den vergangenen Touren perfekt aufeinander einspielen; entsprechend hat „Heliocentric“ einen Vibe, der durch sauberes Spielen allein nicht entstehen kann. Ein natürlicher Groove aus dem Gefühl für das Spiel der Mitmusiker beherrscht das Album – was die direkten Vorgänger „Precambrian“ und „Aeolian“ im Vergleich mechanisch klingen lässt.
Neu in der Band ist Sänger Loïc Rossetti, dessen starke Präsenz ebenfalls beträchtlich zum gereifteren Sound von THE OCEAN beiträgt. Wo es in der Vergangenheit durch Meta (Fluxion, Aeolian) und Mike Pilat (Precambrian) vorwiegend Geschrei auf die Ohren gab und auch auf „Proterozoic“ der Klargesang eng gesteckte Grenzen hatte, zieht die Band mit Loïc Rossetti nun ein ganz besonderes Ass aus dem Ärmel. Mühelos changiert er zwischen luftigem, fast gehauchtem Piano, leicht angerauhtem Mezzoforte und harschen Growls. Der Klang seines Baritons ist sehr gut vergleichbar mit FEAR MY THOUGHTS' Martin Fischer auf „Isolation“.
„Heliocentric“ lässt natürlich – neben vertracktem Doomcore/Progressive Metal als Grundlage – die bekannten Elemente klassischer Musik nicht fallen. So mündet „The First Commandment Of The Luminaries“ in einen krude-jazzigen Mittelteil mit Cello-Untermalung; „Ptolemy Was Wrong“ ist gar völlig akustisch (und im Kosmos von THE OCEAN fast schon eine klassische Powerballade). „Swallowed By The Earth“ wartet mit schleppendem Post-Rock auf, der alle paar Takte wie durch Blitze von harten Einsprengseln durchbrochen wird und sich zur Mitte von sphärischen Gitarrenpickings über einen Moment der Stille in einen grandios doomigen Ausbruch tragen lässt. „The Origin Of God“ schließlich verliert sich zum Ende in Saxofonspielereien – und erinnert damit stark an den Anfang von „Proterozoic“.
Vom Schließen eines Kreises zu sprechen, wäre aber falsch. Denn immerhin ist „Heliocentric“ nur die erste Hälfte zweier im selben Prozess aufgenommenen Alben, dessen zweite Hälfte im Herbst als „Anthropocentric“ erscheint.
Sollte „Anthropocentric“ auch nur einen Teil dessen halten, was „Heliocentric“ verspricht, haben THE OCEAN mit ihrem Doppelpack jede „Album des Jahres“-Auszeichnung schon jetzt mehr als verdient. Absoluter Pflichtkauf!