Stil (Spielzeit): Krasser Jazz-Metal (47:39)
Label/Vertrieb (VÖ): Gentle Art of Music/Soulfood (28.09.12)
Bewertung: 8,5/10
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„Panzerballett ist die erste Band, die ich gehört habe, die Musik wirklich ins 21. Jahrhundert führt." Diese Aussage stammt von einem der größten Jazz- und Rocktrompeter Randy Brecker, der seit Jahrzehnten mit Musikgrößen in der ganzen Welt zusammenarbeitet – und dies anno 2012 sogar mit PANZERBALLETT getan hat.
Wer die verrückte Truppe um Mastermind Jan Zehrfeld noch nicht kennt, dem sei sie hier kurz vorgestellt. Vor acht Jahren begann Herr Zehrfeld seine Truppe studierter Musiker zusammenzustellen, die alle an diversen internationalen Hochschulen und Konservatorien ihre Instrumente perfektioniert haben. Anders wären diese Kompositionen auch kaum spielbar. Seit der Gründung wurden einige bekannte Pop- und Rocksongs „verkrasst" und eigene Stücke geschrieben, die nun auf dem vierten Album der Öffentlichkeit vorgeführt werden sollen. Verkrassung – so nennt die Truppe ihren Stil – vor allem in Bezug auf Cover-Songs.
Ein ausgezeichneter Big-Band-Song von dem Klassiker-Album Randy Breckers (dessen Aussage oben zu lesen ist) dient als Einstieg. 36 Jahre nach seiner eigenen Komposition gibt sich der Meister die Ehre und spielt hier bei den Münchner Wahnsinnigen mit. Selbst wenn man das Live-Album „Some-Skunk-Funk" nicht kennt, kommen einem manche Saxophon-Melodien doch irgendwie bekannt vor. Hier wird wunderbar demonstriert, wie abgedrehter Jazz mit harten Metal-Riffs als Melange funktioniert, als Big Band auftritt und instrumental den Hintern mit Grooves versieht.
Und das ist eine Kunst, die Zehrfeld wirklich versteht. So krass die Polyrhythmik auch ist, so verrückt die Arrangements in Noten ausgeschrieben aussehen, trotzdem lassen die Songs stellenweise Headbangen zu, so dass ein einspruchsvoller Metaller sehr gut seine Synapsen schütteln kann. Dabei werden in „Mustafari Likes Di Carnival" des Öfteren auch ruhigere Töne angeschlagen, während ein erotisches Saxophon die springend tänzerischen Bassläufe verfolgt. Doch nie geht das Thema verloren, immer wieder tauchen die Basics auf, immer wieder wird man erinnert, um welches Hexenfeuer gerade getanzt wird.
Schwere Riff-Arbeit, wie man sie auch bei den komplizierten MESHUGGAH findet – über die Zehrfeld übrigens seine Diplomarbeit schrieb – lässt sich in John Coltranes „Giant Steps" nieder. Brutale Gitarren verfangen sich immer wieder in schwierigen Rhythmen und landen im filigranen Jazz, bevor sie wieder ihre Aggression zur Schau stellen dürfen.
Auch wenn man zunächst im „Zehrfunk" dem Titel entsprechend nachts um halb drei in einem rustikalen Gewölbekeller seine Hüfte kreisen lässt, werden auch hier mächtige Gitarrenwände geschrubbt, bevor der Bass und die Drums in ein abwechselndes Solo-Intermezzo verfallen, wie es bei DREAM THEATER eher Gitarre und Keyboard produzieren.
„(I've Had) The Time Of My Life" ist einer meiner Favoriten. Wie mit einer Leichtigkeit der schmalzige Anfang in fiese Gitarrenarbeit mündet und natürlich mit Jazz aufgebrezelt wird, hat etwas von Zerstörung und Wertschätzung in einem.
Auf welche Weise in „Vulgar Display Of Sauerkraut" automatisch die Nackenmuskeln in Bewegung gesetzt werden, ist erstaunlich – mit Blick auf die wie immer komplexen Ideen, die den Musikern aus den Fingern flutschen.
Um die Detailanalyse etwas abzukürzen, empfehle ich weiterhin den Song „The IKEA Trauma", der mit Gast-Gitarrist Mattias Eklundh zwar ziemlich cheesy aus den Boxen kriecht, aber auch eine interessante Mischung zwischen coolem Rock und Frickelparts bietet. Als Abschluss dient der wunderschöne Klassiker „Take Five", er wird ebenfalls ausführlich verkrasst, so dass kaum Wünsche offen bleiben können.
In einem Interview beschreibt der Bandchef es einmal so, dass im Grunde öfter mal ein einfacher Takt durchläuft, über den andere Taktarten drübergelegt werden, so dass Kopfnicken noch möglich ist, aber auch konzentriertes analytisches Zuhören – also „Headbangen für Fortgeschrittene" (Zitat Zehrfeld).
Wer es ein bisschen verrückter als MESHUGGAH mag, vielleicht nicht ganz so merkwürdig wie die kanadischen UNEXPECT, sondern eher so kompliziert wie PLANET X, der wäre ein Kandidat für PANZERBALLETT. Auf „Tank Goodness" zeigt die Truppe mal wieder, wie sie große Songs nicht nur verkrassen, sondern auch veredeln und genauso eigene Ergüsse in ähnlichem Format hervorbringen können. Für manche anstrengend, für andere krass gut.
Manuel
"Größtenteils harmlos."