Auch wenn mir persönlich bisher eher der Name als die Musik selbst von TODTGELICHTER über den Weg "gelaufen" ist, so sind die Wurzeln der Hamburger eindeutig im harschen Black Metal zu Hause – wenn man dies weiß, hört man es an manchen Stellen auch heute noch. Da wäre noch die philosophische Frage zu klären, ob man es auch hören würde, wenn man es nicht wüsste.
Schon zu Beginn des Openers krächzt der Mann am Mikro ungeniert in dasselbe, so dass zügig schwarzer Nebel aufzieht und sich über die Prog-Rock-Riffs legt, die den Song eröffnen. Gemeinsam mit Marta wird der Gesang verdoppelt, und wer sich jetzt erzwungenen Frauengesang vorstellt, liegt falsch. Harmonisch emotional ergänzen sich die Sänger und treiben in der Wiederholung der ruhig sich steigernden Gitarren den Herzschlag voran.
Wo mancher sich in Sicherheit wähnt und progressiven Rock genießt, werden in „Lights Of Highways" wieder die Krallen gezeigt. Nach den Worten „No one can stop me now" bricht die Brutalität wieder hervor. Doch sanft und melancholisch geht die Reise weiter. „Expectations" wankt zunächst ebenso zwischen heftiger musikalischer Eruption und melodischer Positivität. Mit überraschendem Break und balladesker Gemächlichkeit, die später wieder in ein Doublebass-Gewitter mündet, werden alle Grenzen ausgelotet und trotzdem passend aneinandergefügt. Entgegen der Vorstellung einer „Kollision" ist dieser Song eher ein meditatives, sphärisches Trommelstück mit mystischem Sprechgesang. Klingt in der Beschreibung komisch, ist aber so. Und so komisch klingt es dann gar nicht – wenn man sich darauf einlassen kann.
„Beyond Silence": Zunächst noch ruhig fragend, steigern sich die Leadgitarren, ein Wutausbruch zerreißt die dunklen Wolken, es folgt die Ruhe vor dem Sturm. Leidenschaftliche Melodien führen den Song zur Treppe des Hasses, die man aber nur einige Stufen hinaufsteigt und nachdenklich hinter sich lässt. Plötzlich stolpert man in „Soil" in eine Landschaft von mysteriösem Jazz. Bald wandert man durch doomige Riffs, begleitet von einer kräftigen Frauenstimme. Als in „Until It All Begins" kurzzeitig Streicherklänge hinter der sanft gestreichelten Snare-Drum hervorkommen, tritt die Zerbrechlichkeit zutage, die aufgefangen wird, indem das Stück sich ab der Hälfte bis zum Schluss in Intensität und Geschwindigkeit steigert.
Einzig der vorletzte Song „Tiefer Fall" verwirrt eventuell in einer Art poppiger Neuer Deutscher Härte auf Halbmast. Bei genauerem Hinhören sind die Strukturen zum Glück doch nicht nullachtfuffzehn und ein schönes Wechselspiel zwischen Drums und Leadgitarren erhält den ganz leicht progressiven Charakter. Schwarz und düster geht's zu in „Torn", böse Vocals und mehr Death Doom schleicht sich in die Stimmung. Doch die letzten Ausrufe sind „...for a new beginning". Das könnte auch als Gesamtmotto gelten.
Nach dem ersten Durchlauf folgt der zweite und der dritte lässt auch nicht lange auf sich warten – so ging es mir jedenfalls beim ersten Mal mit „Apnoe.". Merkwürdig. Mir widerstrebt es, zum Abschluss zu sagen: „Freunde von diesem und jenem Genre sollten sich das anhören." Denn die neue Platte von TODTGELICHTER könnten sich meines Erachtens viele Menschen anhören. Ob sie nun Black Metal, Progressive Rock oder avantgardistische Experimente mögen – es ist für jeden ein Puzzleteil dabei. Deshalb sage ich zum Abschluss: Genres sind hier wurscht, hört es euch einfach an und genießt es.
Normalerweise verwende ich ungerne den Ausdruck „Post", um ein Genre zu beschreiben – und um Briefsendungen geht's hier auch nicht. Die Bezeichnung „Black Metal" passt aber auch nicht mehr zu TODTGELICHTER, so dass die obige Schublade die beste aller schlechten ist. Denn so richtig passt hier keine Schublade – und das ist auch gut so.
Manuel
"Größtenteils harmlos."