Pathosray - Pathosray Tipp



Stil (Spielzeit): Prog-Metal (52:40)
Label/Vertrieb (VÖ): Sensory / Alive (07.12.07)
Bewertung: 9 / 10
Link: www.pathosray.com

Potzblitz! Das ist mal eine doppelte Überraschung. Teil 1: nie hätte ich geglaubt, dass eine italienische Band so gut sein könnte. Teil 2: Abgesehen von den seligen WATCHTOWER und Fates Warning war Prog-Metal bislang vorrangig Kopffutter. Für den Bauch weniger leicht verdaulich und oft zu unterkühlt. Mit beiden (Vor-) Urteilen räumen PATHOSRAY auf. Dass die Aufräumaktion so spielend gelingt, hat viele Ursachen:

Das Songwriting ist zwar genregemäß verfrickelt und komplex, aber nicht nur. Immer wieder werden Passagen integriert (wirklich integriert, nicht aufgeschraubt!) die einfach mal geradeaus zielen und so Atempausen beim Angestrengt-Listening zulassen. Ja, da wird sogar mal wie in „Lines To Follow“ ein amtliches Brett gesägt.
Wer will, kann irgendwo nahezu alle Szene-Größen wiederentdecken: z.B.: alte SIEGES EVEN, wo „Pathosray“ sperriger ist, FATES WARNING (zu Zeiten von „Parallels“ oder „Inside Out“), wenn’s mal glatter abgeht. Grundsätzlich existiert die größte Ähnlichkeit vielleicht zu SYMPHONY-X. Kopiert wird hier dennoch nicht. Oder falls doch, dann so gekonnt, dass die Kopie besser klingt als manches Original. So stehen die hier zweifellos vorhanden technisch hervorragenden Fertigkeiten der Musikanten stets im Dienst der immer nachvollziehbaren und homogenen Songs. Egotripping sucht man vergeblich, wozu der hervorragende Mix von Tommy Hansen sein Scherflein beiträgt. Der Sound ist absolut transparent, so dass alle Beteiligten permanent glänzen können. Was sie denn auch ausgiebig tun.

Man beginnt mit einem gefühlvoll-elegischem Piano-Intro. Das erste richtige Stück „Faded Crystals“ beginnt recht ruppig, um alsbald durch diverse Akkordwechsel einen leicht jazzigen Touch zu erhalten. In der Mitte des Songs wird die Struktur dann fast schon balladesk, um zum Ende noch mal das ruppige Thema aufzunehmen. Danach beginnt „Lines To Follow“ kurz zerhackt, um mit schönem Up-Tempo-Riff zu begeistern, um kurz darauf... Mit einem Satz: die Stücke ändern alle Naslang ihr Gesicht und doch bleiben sie stets wieder erkennbar. Und sie haben, was für Proggies nicht selbstverständlich ist, wirklich Seele. Einfach nur geil.
Das gilt auch und besonders für den Sänger, obgleich ich eigentlich seit den 90ern nicht mehr so auf Kopfstimmen stehe. Aber Marco Sandron (der nebenbei bei den Thrashern Jackhammer den Frontmann mimt) hat die stimmliche Spannweite, die ihn befähigt, den verschiedenen Charakteren der Instrumentierung mit glaubwürdigen Tönen und adäquater Variabilität zu begegnen. Und auch über die Kollegen gibt es nur Bestes zu vermelden. Insbesondere fällt Gianpaolo Rinaldi an den Keys auf, der anders als die meisten Prog-Tastateure es versteht, nicht immer die ewig gleichen Modulationen anzubieten.

Bevor ich mir hier über die songschreiberischen und technischen Fähigkeiten von PATHOSRAY unnötigerweise einen Wolf laber, geht lieber mal auf die Homepage; denn da kann man sich die meisten Stücke in voller Länge anhören oder lauft gleich zum Plattenladen eures Vertrauens. Ich jedenfalls bin um zwei Vorurteile ärmer, aber um das nach meinem Geschmack beste Stück Prog-Metal der letzten Jahre und die unitalienischste Platte aller Zeiten reicher. Anspieltipps gibt’s keine … ihr wisst schon warum.

p.s. Die Höchstnote hat es u.a. deshalb nicht gegeben, weil der Gitarrist wirklich phantastische Soli spielen kann, und ich sauer bin, dass es nicht noch mehr geworden sin

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