... denn damit meine ich nicht, dass sie auf einmal formelhafte Musik in Strophen und Refrains abliefern, sondern dass sie einige sphärische, teilweise schon fast funkige Parts hier unterbringen, die sie zelebrieren und auswalzen können. Und ja, in all dem Chaos gibt es auch einige Refrains, die mit größer angelegten Melodien und gefälligeren Akkorden funktionieren – aber das ist ja jetzt nicht komplett neu im Kosmos der Band. Doch auf „Eskapist“ scheint das alles noch mal eine Spur verfeinerter und überlegter, vielleicht in dem Sinne auch geschliffener zu sein, als es früher der Fall war.
Ich habe früher das ein oder andere Mal bemängelt, dass mancher Song noch etwas skizzenhaft wirkt, oder dass der Gesang schon sehr, sehr speziell ist. Natürlich hört man auch jetzt die ganze Zeit sehr deutlich raus, wer da singt – und diese Art, die Töne lang zu ziehen, wird sich so schnell wohl auch nicht ändern. Aber hier ist alles grader, als es früher war. Es wirkt gewollter und gekonnter, sozusagen. Die Band hat noch mal weiter an sich gearbeitet.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Musik leichter verdaulich wäre. Nach wie vor würden Menschen, die mit harter Musik zwischen Hardcore, Metal, Prog und absolutem Wahnsinn nichts zu tun haben, hier vermuten, jemand hätte ein Instrumentengeschäft gesprengt, währenddessen jemand aus irgendeinem Grund vor sich hin schreit. Aber wenn man sich konzentriert, kann man den drei Jungs (warum nehmen die sich eigentlich keinen zweiten Gitarristen dazu?) auch ziemlich gut folgen.
Ich finde auch, dass THE HIRSCH EFFEKT hier noch mal besser geworden sind. Die Songs wirken in sich runder, und obwohl sie durch die poppigen Einflüsse sogar noch etwas abwechslungsreicher und vielleicht sogar eingängiger geworden sind („Natans“), bauen sie nach wie vor ein paar Riffs ein, die die Geduld des Hörers prüfen und man sich anfängt zu fragen, "ob das Not tut". Aber sie verhaspeln sich nicht, sondern kommen eigentlich immer wieder aus diesen Phasen heraus. Und so ist diese Stunde Musik eben auch nicht immer ganz einfach. Zwischendurch passieren sogar kleine Absurditäten wie eine gefakete Werbung für Kräuterschnapps mit gesellschaftspolitischer Aussage ... und überhaupt … wie können die diesen Wahnsinn auf den Instrumenten spielen und gleichzeitig dazu singen?
THE HIRSCH EFFEKT machen schon irgendwie „Mukker-Mukke“ und ich würde einfach mal schätzen, dass man sehr viele Musiker auf ihren Konzerten antreffen dürfte, denn ein leichtes Interesse am bzw. eine leichte Kenntnis über das Handwerk erleichtern den Zugang schon sehr. Aber auch wer einfach nur den ganz normalen Wahnsinn zu schätzen weiß, ist bei den Hannoveranern gut aufgehoben. Und wie gesagt, sie haben eine leicht poppige Note aufgedreht, die ihrem Sound ganz gut tut. Nur nebenbei Hören kann man das hier immer noch nicht …