Politisches Konzeptalbum ohne Politik
ORPHANED LAND standen mit ihren Texten – für alle, für die der Titel des letzen Albums zu subtil ist – schon immer für Harmonie und Einigkeit. Mit "Unsung Prophets & Dead Messiahs" haben sich die Pioniere des "Oriental Metal" Medien-, Politik- und Gesellschaftskritik gewidmet, inspiriert durch Platons Höhlengleichnis. Da Frontmann und Texter Kobi Farhi in unserem Interview schon einiges zur Intention zu Protokoll gegeben hat, bleibt nur zu sagen, dass ihm seine Texte nicht widersprechen und wie immer zu denken geben.
Orphaned Land in ihrer bisher besten Form
Musikalisch ist "Unsung Prophets & Dead Messiahs" gewohnt komplex und doch, wie immer, irgendwie leicht verdaulich. ORPHANED LAND ist dabei gelungen, dass sich das neue Album stilistisch gleichzeitig breiter und tiefer anfühlt, ohne dass es im Ganzen seine Kohäsion verliert.
Schon "The Cave" zur Eröffnung trägt den Hörer von ätherischem, weiblichem Gesang mit sanften Streichern über eine folkige, breit orchestrierte Passage mit Chören durch Growls mit fast schweigendem Orchester und härteren Gitarren – vorbei an dröhnenden Pauken in eine kurze Phase der Ruhe. Die dann von einem Gitarrensolo gebrochen wird, damit im Anschluss alle Elemente noch einmal wechselnd miteinander kombiniert werden können. Man fühlt sich schon im ersten Stück so gut geführt und gezogen, wie später durch das gesamte Album.
Die Scheibe setzt den Schwerpunkt mal eher auf elektrische Gitarren und aggressive Growls, legt ihn dann wieder auf wunderbaren Klargesang und Bouzouki und Streicher, wie bei "In Propaganda" oder "Yedidi". Mal wird das Tempo rausgenommen und es wird besinnlich, wenn es zum Beispiel um das "All Seeing Eye" geht, und ORPHANED LAND verfallen fast in Death Metal, wenn Tomas Lindberg (AT THE GATES) bei "Only The Dead Have Seen The End Of War" mitbrüllen darf. Und wo wir grade bei Tomas Lindberg sind: Steve Hackett (GENESIS) und Hansi Kürsch (BLIND GUARDIAN) haben sich ebenfalls beteiligt.
Gibt es was auszusetzen?
Persönlich habe ich lediglich Hansi Kürsch in "Like Orpheus" als kleinen Reibungspunkt empfunden. Nicht weil er schlecht singt oder stilistisch nicht perfekt zum Rest des Titels passt, sondern einfach, weil seine Stimme das einzige ist, was es geschafft hat, mich aus dem Gesamtfluss des Albums heraus zu nehmen. Ansonsten muss man schon das Genre an sich kritisieren, wenn man etwas aussetzen möchte, denn mir bleibt nur die übliche Folk-Metal-Warnung: Es gibt Stellen, die man als "dudelig" empfinden könnte. Besonders, wenn man mit orientalischen Klängen nicht besonders warm ist.
Klare Empfehlung
Ich kann jedem nur empfehlen, die Stunde zu investieren und dem Album zumindest eine Chance zu geben. Ein beeindruckendes Werk von einer Band, die es mittlerweile so häufig geschafft hat, mich zu beeindrucken, dass ich eigentlich abgestumpft sein sollte. Falls in diesem Jahr noch etwas erscheinen sollte, das es schaffen sollte, "Unsung Prophets & Dead Messiahs" vom Thron meines Albums des Jahres zu stoßen, wird es ein wirklich überraschendes Jahr. Vielleicht ist auch das mein einziger wirklicher Kritikpunkt: Fast traurig, das schon im Januar sagen zu müssen.
Tracklist
- The Cave
- We Do Not Resist
- In Propaganda
- All Knowing Eye
- Yedidi
- Chains Fall To Gravity
- Like Orpheus
- Poets Of Prophetic Messianism
- Left Behind
- My Brother's Keeper
- Take My Hand
- Only The Dead Have Seen The End Of War
- The Manifest - Epilogue