North Sea Echoes - Really Good Terrible Things

North Sea Echoes - Really Good Terrible Things

Für Gitarrist Jim Matheos und Sänger Ray Alder scheint eine Band nicht genug zu sein. Abseits ihres hauptamtlichen Engagements bei den Progressive-Metal-Pionieren FATES WARNING ist Alder Teil von REDEMPTION und A-Z, während sich Matheos mit OSI, KINGS OF MERCIA und ARCH/MATHEOS austobt (das Review zum formidablen letzten Album mit dem früheren FATES-WARNING-Vokalisten lest ihr hier).

Weil die Zusammenarbeit zwischen Matheos und Alder so gut funktioniert und man nach eigenen Aussagen ganz genau weiß, was von dem jeweils anderen zu erwarten ist, haben die beiden mit NORTH SEA ECHOES ein gemeinschaftliches Projekt gegründet. Das hat mit riffbetontem Hirnwindungs-Metal nicht viel zu tun, sondern setzt auf ruhige, melancholische Songs - mal sehr zurückhaltend in sanftem Akustik-Gewand, mal mit elektronischen Spielereien und technoiden Loops, mal mit "echten" Drums von PUSCIFER-Schlagwerker Gunnar Olsen versehen.

Die zurückhaltenden Songs sind eine perfekte Projektionsfläche für Alders Stimme, der hier mit Reife und Charisma wundervolle Vocals voller Seele ertönen lässt. Das Projekt NORTH SEA ECHOES ist dann am spannendsten, wenn das Duo minimalistisch und zurückhaltend agiert, wie im herrlich melancholischen Opener "Open Book" oder meinem persönlichen Highlight "Unmoved". Die zu Tränen rührende Gänsehaut-Akustikballade wirkt mit seiner zurückhaltenden Eindringlichkeit fast wie ein Wiegenlied, thematisiert Depressionen und macht dennoch Mut. Was für eine wahnsinnig gute, gefühlvolle Ballade!

In eine ähnliche Richtung geht das wunderschöne "We Move Around The Sun" mit einnehmenden Gitarren und einem atemberaubend schönen Refrain. Wenn Ray Alder gegen Ende seinen einlullenden, warmen Gesang erklingen lässt, möchte man einfach nur die Augen schließen und in die Traumwelt gleiten.

"Touch The Sky" kann als getragene Akustikballade da nicht ganz mithalten. Noch weniger ist das bei dem abschließenden "No Maps" der Fall, das musikalisch zu langatmig und unspektakulär wirkt. Das ist schade, denn die berührenden Lyrics  ("Waiting for nothing to happen", "Still I carry on / But there are no maps where I'm going", "Never a home was I searching / But maybe I'm already there") passen ganz wunderbar zur reduzierten musikalischen Ausrichtung.

Total strange und doch absolut hörenswert ist die fiebrige SISTERS-OF-MERCY-Verbeugung "The Mission" mit ihrem fantastisch erhabenen Chorus. Klingt irgendwie trashig und doch cool. Auch das von Gunnar Olsen untermalte "Empty" versprüht einen Hauch von Soft-Gothic und packt mit verzerrten Gitarren zu, während "Throwing Stones", ebenfalls mit Unterstützung des PUSCIFER-Drummers, als mächtige, entrückt schwebende Nummer mit druckvollem Bass und sehnsuchtsvollem Chorus mitreißen kann. Für etwas Auflockerung mit latentem "Akte X"-Feeling sorgt die hypnotische Dark-Romantic-Popnummer "Flowers In Decay".

In eine ganz andere Ecke geht das gewöhnungsbedürftige "Where I'm From". Es beginnt ruhig und getragen, das Programming klingt ein bisschen wie Computerspielmusik aus den Achtzigern. Im Laufe der Spielzeit kommen wehmütige Melodien hinzu, der Song wandelt sich zu einem krachig-sphärischen Szenario.

Die Mischung aus fragilen Melodien, melancholischer Erhabenheit, elektronischen Spielereien und Industrial light klingt abwechslungsreich und einnehmend, lässt "Really Good Terrible Things" stellenweise allerdings auch etwas verloren wirken. Ray Alder und Jim Matheos stehen musikalisch vielleicht ein bisschen zu sehr zwischen den Stühlen. Zudem ist die Trackliste gegen Ende des Abums deutlich unspektakulärer als in der ersten Hälfte.

Mit dem gelungenen Artwork von Simon Ward (KINGS OF MERCIA, MARILLION), dank druckvoller Bässe, wabernder Keyboards und Effekte versprüht "Really Good Terrible Things" ein schwermütiges, maritimes Feeling, so, als ob man sich stets unter der Meeres-Oberfläche befinden und in der abgrundtiefen Finsternis der See nach Lichtblicken Ausschau halten würde. Dadurch besitzt "Really Good Terrible Things" definitiv seinen Reiz - nur vielleicht nicht gerade für FATES-WARNING-Fans und erst recht nicht für Krachfanatiker.

"Really Good Terrible Things" Trackliste:

01. Open Book
02. Flowers In Decay
03. Unmoved
04. Throwing Stones
05. Empty
06. The Mission
07. Where I'm From
08. We Move Around the Sun
09. Touch The Sky
10. No Maps

NORTH SEA ECHOES Line-up:

Ray Alders - vocals
Jim Matheos - guitars, bass, programming

Gunnar Olsen (PUSCIFER) - drums on "Empty", "Throwing Stones"

Chrischi

Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten

Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...