"Falling From the Sun" galoppiert gleich mit typischen tiefen Riffs los, denen auf den Fuß der erste große feierliche Chorus entgegenwirkt, getragen von dezent flirrenden Keyboard-Flächen, den die Band nach dem herrlichen Twin Guitar Solo in einem Piano-Break gekonnt fortführt, in dem Englunds fragile Stimme schön zum Tragen kommt. Nach dem tonnenschweren Riff, das die futuristischen Keys wieder wie von Zauberhand voranschieben, unterstützt diese Arbeit im dramatischen "Misfortune" auch der exzellente Bass. Der befreiende "Unglück, verpiss dich"-Refrain lädt den nachdenklichen Metalhead unweigerlich zum Mitgrölen ein.
Die unheilvollen Hammondklänge kündigen es bereits an: Die beklemmende zähe Schwere von "To Become Someone Else" lässt uns immer tiefer in die "Leere" des Albumtitels sinken. Diese wird greifbar, wenn die Schweden in einem schwebenden Interlude mit Chören der Musik Raum geben, bis die kraftvollen Gitarren den Abstieg endgültig besiegeln.
Im vorherigen Song wurde thematisch geschwiegen. Im musikalisch ähnlich gestrickten "Say" legen EVERGREY trotz der proggy-sperrigen Instrumentierung eine erhebende Catchiness an den Tag, die versucht, der stillen "Leere" mit Worten zu begegnen. Im Video gibt Drummer Jonas Ekdahl seinen schmerzlichen Ausstieg aus der Band bekannt.
"And now that some years have passed I thought I’d be stronger. But it seems sorrow lasts a lifetime or longer." Die bewegende Ballade "Ghost Of My Hero" beschreibt den schmerzlichen Verlust, den Menschen erleiden, wenn sie ihre Liebsten verlieren, der durch das Streicherarrangement noch verstärkt wird. Ein zermalmendes Riffing und eine gespenstische Keyboard-Unterlegung machen das schleppende "We Are the North" zum grimmigsten Song auf dem Album. Der Refrain und der Break lösen sich von dem Zorn und erzählen von der damit einhergehenden Angst, die uns schließlich den immer gleichen falschen Verheißungen folgen lässt.
"One Heart" ist ein Straight-forward-Rocker, für den die Band ihre Fans eingeladen hat, die Backing Vocals zum Refrain beizusteuern. "One Heart! One Soul! Our Hearts united!" sehe ich jetzt schon vor dem geistigen Auge die Crowd innigst zum Besten geben. "The Night Within" schlägt versöhnlichere Klänge an, nach dessen Refrain sich jede AOR-Band die Finger lecken würde. Das Kunststück, selbst die dunkelste Thematik und Heaviness der Musik mit eingängigen hoffnungsgebenden Melodien zu verbinden, beherrschen EVERGREY aus dem Effeff.
"I can’t grief over you": Das seelenreinigende "Cold Dreams" beschäftigt sich sehr eindringlich mit der Einsamkeit, die einen nach einem Verlust in die Verzweiflung treibt. Der intensive Song fährt nochmal alle Trademarks der Band auf und stellt mit Gastbeiträgen von Jonas Renkse von KATATONIA und Englund-Töchterchen Salina das Highlight des Albums dar.
Aus den "kalten Träumen" zu erwachen und den inneren Zwang, die vermeintliche Leere mit Lügen zu füllen, zu überwinden, findet sich im letzten seelenvollen, aber durchaus radiotauglichen Song "Our Way Through Silence" wieder. "We tend to lose that place of happiness. In the freedom of emptiness don’t be afraid when nothing is there. When nothing is there. Then you’re free," heißt es im spoken-word Outro "A Theory of Emptiness". Let go. Lass los. Es ist das Loslassen, für das EVERGREY ihre metaphorischen, fast buddhistisch anmutenden Theorien der Leere aufstellen.
Ein weiteres Meisterwerk im Progressive Metal. Klare Höchstwertung.