Stil (Spielzeit): Progressive Metal (83:44)
Label/Vertrieb (VÖ): Metal Blade (9.11.2007)
Bewertung: 10/10
Link: http://www.theoceancollective.com/
Die mehrköpfige Berliner Hydra THE OCEAN hat ein neues Konzepwerk, bestehend aus einer EP und einem Album, angespült. Die bisher marinen Themen müssen sich nun in ein zeitgeschichtliches Muster biegen. Blasen flüssigen Gesteins sind vorne zu sehen auf dem dunkelgrau-mattschwarz-schwarz gehaltenen Gesamtkunstwerk. Nachdem die Herren mich mit "Aeolian" schon gewaltsam in die lichtlosesten Tiefen des Meeres gezogen haben, rechne ich hier nun mit dem Durchbruch ins Erdinnere. An meiner Seite Axel, Professor Otto Lidenbrock und Hans Bjelke, und vor mir ein spielfilmlanger Trip.
Die Wissenschaft ist der Annahme, man könne die Geschichte unseres kleinen, unbedeutenden Planeten in zwei wesentliche Teile teilen. In einem entstand der Planet selbst, im anderen das Leben darauf. Die Entstehung unseres Planeten schlägt mit gut zweiundzwanzig Minuten ins Gesamtgewicht. Verglichen damit, wie lange es wirklich gedauert haben soll, eigentlich gnädig, doch bereits nach den ersten Sekunden ist klar, dass ich auf meiner Reise zum Mittelpunkt nicht mit Samthandschuhen angefasst werde.
Unter dem Titel "Hadean / Archean" gibt es also sozusagen den Auftakt, die ersten zwei der insgesamt fünf Akte. Tobende Gitarren und ein rotierendes Schlagzeug tragen die Stimmen, verknoten sich und verdichten sich zu einem undurchsichtigen Etwas. Dynamisch und druckvoll, mit einer pechschwarzen, steinernen Schuppenhaut versehen und so kräftig, dass man die Luft anhält. Mit einem Paukenschlag endet die leblose Gewalt und eine hallende Ruhe macht sich breit.
Das Proterozoikum, damit das über eine Stunde lange Hauptalbum, kommt mit der Entschlossenheit einer Erdplatte in spürbare Nähe. Wesentlich ruhiger und getragener als erwartet entsteht Leben. Meine imaginären Begleiter und ich genießen die fast schon friedliche Ruhe in der dunkelblau schimmernden Höhle. Elektronische Klanglandschaften gehen Hand in Hand mit Streicher- und Pianotönen. Mit bebender Stimme und von weichen Streichern umkleideten, gewaltigen Gitarrenwänden gejagt hat das Durchatmen dann auch ein Ende. Hin und wieder verlangsamt sich das Tempo, zerbrechlicher Gesang und dünne Streicher seufzen durch das abwesend tänzelnde Schlagzeug, bis die Form wieder Struktur und Härte annimmt. Neue Gitarren gesellen sich dazu, der Gesang wechselt wieder zu dem vertrauten, einsamen Geschrei und das Schlagzeug beschleunigt, baut Spannung auf, bis es sich dann in feuergrellen Ausbrüchen in die samtblaue Atmosphäre drängt. Und dann wieder Ruhe. Kevin Spacey hält eine kleine Rede über wunderbar verträumten Instrumentalklängen. Kein Artikel kann dieses Album schriftlich wiedergegeben.
Genrebeschreibungen verschwimmen unter einem kühlen Mantel und werden keinem Stück im Ansatz gerecht. Die vom düsteren Hardcore beeinflusste Band macht Seitensprünge in den verspielten und progressiven Death Metal, steckt dem Ambient die Zunge in den Hals, begrabscht elektronische und klassische Gefilde und kopuliert mit Poseidon persönlich.
Wer kein Geologe ist, wird sich die Liedtitel wohl nie merken können. Nach fast eineinhalb Stunden akustischer Dunkelheit holt mich das Leben wieder ein.
Ein Album, das zu vielschichtig ist, um vernünftig darüber zu urteilen; das so dunkel und lebendig ist, dass es sich nicht in eine Renzension falten lässt. "We are not offering good entertainment." So hieß es im Booklet zu der etwas älteren EP "Fogdiver". Und dabei bleibt es.