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COHEED AND CAMBRIA kann man durchaus als seine der einflussreichsten, umstrittensten und bewundertsten Bands der jüngeren Rockgeschichte ansehen. Nach der weitgehend unbeachteten Zeit als SHABUTIE raffte man sich im Jahre 2001 unter dem neuen Bandnamen zu einem extrem ehrgeizigen Projekt auf: Der Vertonung des von Bandleader Claudio Sanchez erdachten und verschachtelt erzählten Sci-Fi-Comic-Epos „The Bag.On.LineAdventures“, welches inzwischen in chronologischer Reihenfolge unter dem Namen „The Amory Wars“ veröffentlicht wurde.
Während das erste Album „Second Stage Turbine Blade“ damals noch von vielen in die Emo-Schublade gesteckt wurde, wurde mit den folgenden Veröffentlichungen immer deutlicher, dass hier moderner, mit Pop- und Emo-Elementen, aber auch mit Hard Rock- und Metal-Exkursen gewürzter Progressive Rock geboten wird.
Im Vorfeld zu den Aufnahmen von "No World For Tomorrow", welches von Nick Raskulinecz (u.a. FOO FIGHTERS, STONE SOUR und passenderweise RUSH) in L.A. produziert wurde, hatte es erstmals in der Bandgeschichte nennenswerte Personaländerungen gegeben. Im November 2006 stiegen nämlich Bassist Michael Todd und Schlagzeuger Josh Eppard aus persönlichen Gründen aus der Band aus. Michael Todd kehrte jedoch rechtzeitig zu den Aufnahmen zurück. Als neuer Drummer wurde Chris Pennie (vormals DILLINGER ESCAPE PLAN) an Bord geholt. Aufgrund von Vertragsbedingungen durfte er aber noch nicht im Studio ran. Das erledigte dann FOO FIGHTERS -Drummer Taylor Hawkins.
In Sachen Songwriting ist Mastermind Sanchez diesmal einige neue Wege gegangen. Zum einen hat er einige Songs zunächst am Klavier und einem Wurlitzer-Elektro-Piano geschrieben und dann auf den klar gitarrenlastigen Sound übertragen, zum anderen hat er erstmals auch eigene Erfahrungen direkt in die Texte eingebaut. „Good Apollo, I'm Burning Star IV, Volume Two: No World for Tomorrow”, wie laut Sanchez der vollständige, jedoch auf der CD abgekürzte Titel lautet, bedient sich im Groben wieder des typischen COHEED AND CAMBRIA-Albumaufbaus: Leiser Einstieg, erster epischer Höhepunkt, wechselhaft und bisweilen überzuckert durch den Mittelteil und zum Abschluß nochmal ordentlich Pathos in die Fresse und auch ins Herz. Im Detail sieht das so aus:
Wieder gibt es ein ruhiges Intro (allerdings nicht die bekannte Anfangsmelodie der bisherigen Teile), auf das in der von den Vorgängern bekannten Weise mit dem Titeltrack einer der epischen Hauptssongs folgt. Das Stück „No World For Tomorrow“ steht im besten Sinne klar in der Tradition der grandiosen „In Keeping Secrets Of Silent Earth 3“ und „Welcome Home“. Auch diesmal verschafft einem die Mischung von wuchtigen Gitarren, viel Gefühl und mächtigen (aber sparsam eingesetzten) Chören einen echten Trip durch das fiktive Szenario.
Danach wird’s stufenweise deutlich sanfter. „Feathers“ ist gar zuckriger Emo-Pop, wie ich ihn meistens wegskippe. Die erste Single „The Running Free“ zeigt dann schon eher, wie’s geht: Ebenfalls enorm melodieselig, aber mit deutlich mehr Druck. Und so wechseln sich im Mittelteil des weiteren poppige Balladen wie „Mother Superior“, cleverer Emo-Pop und Rocksongs mit 80er-Feeling wie „Gravemakers & Gunslingers“ ab. Den üppigen Abschluss bildet das fünfteilige „The End Complete“. Dessen dritter und zentraler Teil, mit Untertitel ebenfalls „The End Complete“ geheißen, enthält vielleicht die härteste Stelle der Bandgeschichte und greift zudem die vertrauten „Woohooohoooo-Chöre“ wieder auf. So böse hat man Claudio Sanchez noch nicht gehört. Ein echtes Highlight des Albums! Wie auch Part V, „On The Brink“, ein komplexer Song in der Art einer kleinen Rockoper, was mich zum Beispiel an das „BE“-Album von PAIN OF SALVATION denken lässt (und somit eine lustvolle Steilvorlage für alle Kritiker ist, die mit dem Vorwurf der Überambitioniertheit bereits auf der Lauer liegen).
Kurzum: Flinke Riffs, wunderschöne Melodien, Sanchez' charakteristischer hoher Gesang und ordentlich Pathos bilden auf „No World For Tomorrow“ einmal mehr die Eckpfeiler. Der Hard Rock und der Metal der 80er Jahre haben sogar noch einen höheren Stellenwert bekommen als bisher und die RUSH-Vergleiche werden sicherlich bleiben.
Ob dieses Album nun einen würdigen Abschluss der Saga bildet, ist gar nicht mal so einfach zu sagen. Die tollen Vorgänger kann es nicht toppen, die fast schon traditionellen leichten Längen im Mittelteil fallen jedoch auch nicht größer aus als bisher.
Das chronologische Ende der Geschichte ist mit diesem Album erzählt, die Vorgeschichte wird dann mit dem letzten Album dieser "Quadrologie in fünf Teilen" nachgereicht.
Zum Abschluss noch ein (provokanter?) Vorschlag: Fügt „In Keeping Secrets Of Silent Earth 3“, „Welcome Home", "No World For Tomorrow" und "The End Complete III" (enthält ja nicht zufällig die Zeile "Welcome home, my dear") samt des jeweiligen Albumintros zusammen, packt ein Outro eurer Wahl hinzu und ihr habt einen verdammt guten Longtrack, den ich für den essentiellen Kern aller vier Alben halte und der sich vor kaum einer Progressive Rock -Band verstecken muss.
Stil (Spielzeit): Progressive Rock (1:00:04)
Label/Vertrieb (VÖ): SonyBMG (19.10.07)
Bewertung: 8,5 / 10