Jolly - The Audio Guide to Happiness (Part I) Tipp

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Stil (Spielzeit)
: Ambienter Progressive-Rock (46:06)
Label/Vertrieb (VÖ): InsideOut Music/Century Media Records (28.02.2011)
Bewertung: 9/10
Link: Offizielle Bandseite

"Welcome to the audio guide to happiness [...] close your eyes, breathe and fly" züngelt ein süßes Frauenstimmchen ins Ohr, begleitet von ganz viel warmem Streichersalat. Allein das könnte stundenlang so gehen. Für mehr Chillout in der Rockmusik! Okay, ein anderes Mal. Das denken sich auch die Ambientrocker von JOLLY und trabben ganz breitbrustig an mit "Ends Where It Starts". Der Song passt schon einmal gewaltigt ins Prog-Rock Konzept der New Yorker. Anadales herrlich angekratze Stimme swingt schön halbtönig durch die Strophen, während der Refrain den Hörer dann davon trägt. Aufregend von Anfang an sind die flächigen Klänge in den Weiten des Hintergrunds. Der Mittelteil wartet dann sogar mit Growls von gaaannnzzz unten auf, ohne das sie wirklich dominieren. "Joy" eröffnet gleich einen harmoniellen Strudel, dem man für die nächsten 4 Minuten und 40 Sekunden ausgesetzt ist. Die Bassline im Refrain ist kompositorisch eine Gänsehaut, gefolgt von Gesang, Gitarre und Schlagzeug. No more words, just listen.

Mit Schirm, Charme und Klavir schunkelt "Pretty Darlin'" geflegt aus der Büchse. Die Hookline wird beim zweiten Mal einfach aus dem Studio hinaus, und hinein in ein Cafè katapultiert, wo Anadale von seinen Bandkollegen mit sachtem Chor unterstützt wird. Dies erzeugt eine wirklich tolle Atmosphäre. Kaum hat man's sich an einem Tisch gemütlich gemacht und wartet auf die Kellnerin, um einen Milchkaffee zu bestellen, ballert "The Pattern" den Träumenden wieder zurück in die dunkeln Strukturen JOLLY'scher Musik. Mit der Nummer beweist die Band, dass sie tight schnetzelt, wenn sie will, inklusive Mosh-Part. Geiles Stück! "Here in time you wonder why you're still alive [...] it's storytime" trägt Anadales Stimme in "Storytime" das Ohr zu Bett, Joe Reilly begleitet sanft mit seinen Samplern. Der Ruhepunkt findet sich im zweiten Interlude, in dem Frau Unbekannt das Trommelfell darauf hinweißt, nun in Phase zwei einzutauchen. Nur weiter bitte.

Als Haupteinflüsse geben die vier Herren RADIOHEAD, MUSE, TOOL, oder auch DEPECHE MODE an. Der musikalische Rahmen ist so super beschrieben, kopiert wird hier aber nicht. JOLLY erzeugen eine einzigartige Klangvitalität. Unterstüztend macht sich die Band dabei die Wirkung binauraler Töne auf dem Album zunutze. Das sind zwei frequenziell leicht unterschiedliche Töne, die via Stereokopfhörer auf jeweils einem Ohr hörbar sind und beide unterhalb von 1500 Hertz liegen (müssen). Die Differenz zwischen den beiden Tönen sollte knapp 30 Hertz nicht überschreiten, damit ein pulsierender Beat entsteht, der entlang des Albums die Lautstärke dynamisch molduliert. Dieser dritte Ton wird im Gehirn nachproduziert und gibt dem Hörer ein räumliches Gefühl. Binaurale Beats werden unter anderem benutzt, um Meditationsrunden oder die Konzentration zu fördern. Oder eben große Alben runder zu gestalten.

"Still A Dream" funktioniert so ähnlich wie der Opener, wächst ab der Hälfte neben "Joy" zu einem weiteren Favoriten heran. Hier beweist sich die ausgewogen komplexe Mischung aus harten Riffs, meistens songführenden Basslines, vielen Streichern und klasse produzierten Samples, einem gewaltigen Schlagwerk seitens Louis Abramsons und der Stimme von Anadale, die mich öfter an BUSH und SICK PUPPIES erinnert. "Radiae" läuft ebenfalls rund, bei so viel heftigerem Material bildet der Song aber eher das Mittelfeld. Der Titel "Where Everything's Perfect" sei als dritter Oberbringer des Albums genannt. Die Harmonien im Refrain sind so unerwartet wie schön(schräg), der Mittelteil erklingt wie ein Ausflug ins Paralleluniversum von Half-Life, in dem plötzlich fröhlich Kinderscharen zwischen den Kreaturen tanzen. Ganz abgedreht, definitiv anhören!

Abschluss erfolgt mit "Dorothy's Lament", einer Ballade, die klagend im Regen steht, und die Leadgitarre wie eine Orgel klingen lässt. Klare Strukturen gibt hier nicht, der Song läuft ab wie das Wasser in der Regenrinne. Fräulein Guide Fay, wie ich sie jetzt nenne, bittet mich im letzten Interlude, die zweite CD einzulegen, damit die Reise weiter gehen kann. Ich muss schmunzeln. Schicke Idee, die Hörerschaft auf das kommende Album scharf zu machen, obwohl das hierliegende jetzt erst in den Startlöchern steht. "The Audio Guide to Happines (Part II)" (wenn es denn so heißt) hat eine sehr schwere Aufgabe vor sich, wenn es Teil eins übertreffen will. Das Level zu halten, wird schon nicht leicht. Ganz großes Ambient-Rock-Kino!

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