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Schwerfällig wie flüssiger Stahl schwappt "Miracle" aus den Boxen auf meinen Tisch. Stand da nicht Rock/Alternative auf der Speisekarte? Serviert bekomme ich hier einen richtig irrwitzigen Mix aus Progressive mit saftig triefendem Bass, eher zart und wirr kredenzten Gitarren- und Orgelläufen und einer Kirsche von Tenorgesang dank Mikko von Hertzen.
"Gloria" macht mit seinem Tempo schon mehr Rocklaune. Die instrumentalen Arrangements formen jedoch mit jedem sich anschließenden Part neue Klangthemen, sodass sich die VON HERTZEN BROTHERS vom Standard-Rock entfernen, wo sie nur können. Die Chorgesänge in Strophe und Refrain sind hier sehr angenehm ausgearbeitet. "Angel's Eyes" und "Voices In Our Heads" erweitern die Palette zusätzlich um sehr orientalische Halbtonlinien, während die Komplexität der Strukturen leicht zunimmt. Für geübte Progger bleibt jedoch alles im "poppigen" Rahmen. Mein persönlicher Geheimtipp von "Stars Aligned" ist die Ballade "Down By The Sea". Der Hörer taucht ab in blau-schwarze Abyssale sphärischer Halbruhe, einzig begleitet durch sanfte Gitarren, summender Bassmonotonie, fernem Schlagwerkwirken und Mikkos wisperndem Gesang. Sehr angenehm.
Wie die erste Hälfte des Albums, so wird auch die zweite dominiert von verträumten Kompositionen, die weder kitschig noch abgedroschen klingen. Mehr als einmal höre ich in "Repeat Mode" Verwandschaften zu den DELAYS heraus, auch MUSE und STONE TEMPLE PILOTS standen nicht an letzter Stelle im bandeigenen CD-Regal. "Always Been Right" überrascht als zweiter Anspielltipp mit folk'scher Attitüde und fast schon forderndem 3/4-Tempo. Die Hookline zwängt sich als erste des Albums richtig ins Ohr und verweilt. Bei einer Songlänge von (nur) vier Minuten erwarte ich eine baldige Auskopplung als Single, was dann die Hookline wiederrum bestätigen würde. "I Believe" folgt als größtes Songmonster und wirklich gut geratener letzter Track. Die Doppelstimmen der drei von Hertzen Brüder der Band erfüllen alle Erwartungen auskomponierten Gesangs, der Mittelteil fährt die Lichter herunter und lässt Band und Hörer in schummrige Dämmerung entgleiten, in der letzte Staubkörnchen sacht im Halbdunkel tanzen. Einzig "Bring Out The Snakes" kann trotz großem Ende nicht ganz überzeugen, da der Aufbau des Songs bis zur Wende zu langweilig ist.
Alles in allem gibt der Progressive bei VHB schon noch den Ton an, dient aber lediglich als Fundament für eine Vielzahl schöner und skuriller Synthesizer, Gitarrenlicks und Gesangslinien. Dabei transportieren die Finnen auch auf ihrem vierten Album mehr die Idee eines Gesamtbildes, als eine Sammlung geschriebener Songs. Wer mit anspruchsvollem orientalisch angehauchten Nicht-Standard-Prog-Rock etwas anfangen kann, lässt sich von THE HERTZEN BROTHERS ohne Bedenken die Sterne neu ordnen.
Stil (Spielzeit): Progressive / Alternative / Oriental (51:42)
Label/Vertrieb (VÖ): Spinefarm Rec. / Cooperative Music (25.03.2011)
Bewertung: 8,5 / 10