Stil (Spielzeit): Jazziger Prog mit sehr gutem Frauengesang (52:30)
Label/Vertrieb (VÖ): Candlelight Rec. (11.09.2006)
Bewertung: Oberhammer! 10/10
Link: http://www.to-mera.com
Kleines Ratespielchen: Was passiert, wenn sich die ehemalige Sängerin einer ungarischen Progband, ein ehemaliger EXTREME NOISE TERROR – Bassist, ein Meister der Polyrhythmik am Schlagzeug, ein graduierter Jazz-Gitarrist und ein graduierter Pianist mit klassischer Ausbilung zusammen Musik machen?
Das Ergebnis ist wohl eine der interessantesten Newcomerbands dieses Jahres – TO-MERA.
Aber wer ist diese Band? TO-MERA wurde von Julie Kiss, der ehemaligen Sängerin von WITHOUT FACE, einer Ungarischen Progband und Lee Barret (Ex- EXTREME NOISE TERROR / DISGUST / MUSSOLINI HEADKICK) gegründet.
Mit ins Boot geholt wurde Akos Pirisi, der von da an die Felle zu bearbeiten hatte, und nachdem Julie bei einem DILLINGER ESCAPE PLAN Konzert den graduierten Jazz-Gitarristen Tom MacLean kennenlernte, war das LineUp für das erste Demo perfekt. Dieses wurde dann im Juli 2005 in den “The Peel“ – Proberäumen in Kingston-Upon-Thames auf einem Laptop aufgenommen, von Brett Caldas-Lima in Frankreich abgemischt und an mehrere Magazine und Webzines geschickt. Nach Aufnahme des Demos wurde dann noch der klassisch ausgebildete Pianist Hugo Sheppard, der genau wie Tom MacLean am Trinity College of Music (man sollte diese Schule in Zukunft im Auge behalten) seinen Abschluß machte, für die Keyboards engagiert. Die Reaktionen auf das Demo waren durch die Bank weg überwältigend. „Demo des Monats“ bei Organ Magazine, Zero Tolerance Magazine und Imperiumi.net in Finnland. Diese überschwenglichen Reaktionen brachten dann diverse interessierte Plattenfirmen auf den Plan. Im Januar 2006 wurde dann bei Candlelight Rec. der Vertrag unterzeichnet und im Mai 2005 ging es dann wieder mit Produzent Caldas-Lima ins Studio, um „Transcendental“ aufzunehmen. Und soviel zur interessanten Biographie von TO-MERA. Jetzt geht’s ans Eingemachte.
Musikalisch gesehen pendeln TO-MERA zwischen Prog, Jazz, Heavy und ein bißchen Gothic Metal hin und her, und das tun sie auch sehr gerne während der Songs. Einen Song auf eine Richtung festzunageln ist schier unmöglich. Die Musiker toben sich bei den Kompositionen sehr gerne in all ihren Leidenschaften aus. Hier und da mal ein Break, dann wieder eine jazzige Pianopassage, die auch perfekt in eine verrauchte Kneipe im Big Easy passen könnte. Dann wiederrum klatscht dem geneigten Hörer ein Brett entgegen, was man durchaus als DREAM THEATER auf Speed interpretieren könnte. Und dazu immer wieder die kraftvolle und zugleich sehr sanfte Stimme von Julie Kiss. Vergleiche in Sachen Stimme kann man vielleicht noch ansatzweise mit Tarja Turunen anstellen. Facettenreicher geht’s kaum noch. “Born Of Ashes“ beginnt zum Beispiel ganz leicht und sinnlich, Julie Kiss wird nur von einer akustischen Gitarre begleitet und säuselt gefühlvoll eine einem mittelalterlichem Minnesang gleichende Weise, um dann den Song in ein orchestrales Arrangement hereinzuführen, das auch von Meister Antonin Dvorak höchstpersönlich gut in seiner Symphonie „Aus Der Neuen Welt“ verhackstückt hätte werden können, und dann ein Progbrett sondergleichen.
So ungefähr kann man die Strukturen in den Songs von TO-MERA beschreiben. Abwechslungsreich bis zum Geht-Nicht-Mehr! Mal klassisch romantisch wie Chopin oder Schumann, mal jazzig, mal thrashig, mal einfach zum Moshen aber immer progressiv, melodisch und interessant. Wer übrigens am Ende von “Realm Of Dreams“ durch ein penetrantes Rauschen aus dem Reich der Träume gerissen wird und Angst um seine Boxen hat, den kann ich beruhigen. Das muss so...
Zur Länge der Songs bleibt mir eigentlich nur zu sagen, dass die überlang erscheinende Zeitangabe von durchschnittlich ca. 6 ½ Minuten niemanden abschrecken sollte. Langweilig werden die Songs auch nach 100maligem Hören bestimmt nicht. Sie werden eher interessanter, denn man entdeckt immer mehr neue Facetten im Zusammenspiel der Fünf.
Nachtrag: Leider hat Akos Pirisi mittlerweile die Band verlassen. Neuer Mann an den Trommeln ist Paul Westwood (Ex-FOE), der an der Guildhall School of Music graduierte und erster Percussionist im National Youth Orchestra war. Das Demo wurde, wie gesagt, hoch gelobt und als Demo des Monats ausgezeichnet, und der Nachfolger "Transcendental“ ist für mich ein ganz heißer Anwärter auf das Album des Jahres!