Stil (Spielzeit): Progressive Rock (78:58)
Label/Vertrieb (VÖ): InsideOut / SPV (23.02.07)
Bewertung: 6,5/10
Link: http://www.nealmorse.com/
Dass NEAL MORSE mittlerweile zu den einflussreichsten und fähigsten Persönlichkeiten im Progressive Rock zählt, muss vermutlich nicht noch einmal extra erwähnt werden. Es ist also auch sinnlos, die Tatsache zur Debatte zu stellen, dass dieser Mann, den man nach gut zehn Jahren mit SPOCK’S BEARD, gewaltiger Resonanz mit TRANSATLANTIC und bereits vier Solo-Scheiben durchaus als Institution bezeichnen kann, sein progressives Handwerkszeug wie eine 1 einzusetzen weiß. Gleiches gilt für die Dauergäste Mike Portnoy (DREAM THEATER) hinter den Kesseln und Randy George am Tieftöner. Neu im Line-Up ist nun Paul Gilbert (ex-MISTER BIG), der dem Chef mit weiteren sechs Saiten zur Seite steht. Wobei "zur Seite stehen" noch eine heillose Untertreibung ist: Der Neue spielt sich auf "Sola Scriptura" mitsamt seiner Soli so dermaßen in die Lüfte, dass er bereits jetzt an der Referenzklasse kratzen dürfte.
Nun aber zum fünften Studioalbum aus dem Hause Morse. Der hat, als sehr gläubiger Mensch, auch dieses Mal wieder aus dem religiösen Themenbereich gegriffen. Selbst wer dort nicht so bewandert ist, dürfte mit lateinischen Sentenz „sola scriptura“ – zu deutsch: allein die Schrift – etwas anfangen können. Richtig, das Album ist ganz um die Person Martin Luthers herum konzipiert. NEAL MORSE hat sich in den berühmten Mönch hinein versetzt und lässt ihn sozusagen aus sich sprechen.
Musikalisch fällt vor allem eines schnell fällt auf: Im Vergleich zum Vorgänger "?" hat man fast durchgängig eine dicke Scheibe Härte draufgelegt. Auf’s Ganze bezogen, wirkt sich diese Tatsache dann auch äußerst positiv aus. Die schwächsten Stellen des Album sind nämlich – trotz willkommener Abwechslung – die ruhigeren. Die Schmalzigkeit, die diese Parts zuweilen durchdringt, lässt man bei „Heaven In My Heart“ vielleicht noch durchgehen, schließlich handelt es sich um die offizielle Ballade. Aber innerhalb des halbstündigen Epos „The Door“ beispielsweise, gehen die regelrechten Kindergarten-Arien, in denen Frontmann und Chor Gott zum 100. Mal in die Höhe loben, dann doch sehr hässlich auf die Nerven. Bitte richtig verstehen: Es geht nicht darum, dass Morse Gott preist, sondern um die Art und Weise wie er es tut. Für so ein 08/15-Geschnulze, das sich dem Zuhörer zähflüssig durch die Ohren schleimt, muss man sich eigentlich an ganz andere wenden. Nun ist NEAL MORSE in dieser Hinsicht ja bereits hinlänglich vorbestraft und vielleicht sollte man ihn dessen tatsächlich gar nicht erst mehr anklagen. Ich werde es aber trotzdem tun, denn ich bin der Meinung, dass ein Meistermusiker wie er es ist, uns das sinngemäß Gleiche wesentlich angenehmer vorsetzen kann. Man schaue sich nur an, was passiert, als die Herren mitten in „The Conflict“ auch mal zur klassischen Gitarre greifen: Erst barockes Gitarrenspiel, dann Flamenco und schließlich ein so authentisch vorgetragenes Latin-Zwischenspiel, dass man glatt tanzen möchte. Also, er kann es – warum nicht immer so?!
Über den Rest muss man demnach auch nicht viele Worte verlieren: Grundsolide, spannend, gekonnt und wie immer schön gepuzzelt – da reicht ihm kaum einer das Wasser! Nur darf man auch nicht erwarten, dass er sich neu erfunden hat.
Fazit:
NEAL MORSE eben.