Noch nicht einmal ganz dreißig Jahre alt ist SPYROS CHARMANIS, der uns aus Griechenland sein zweites selbstgebasteltes Album schickt. Als Konzept von „Wound" wird die Geschichte eines unbekannten Charakters erzählt, der in drei Phasen „auf Achse" ist. Es geht um gute Pläne, falsche Entscheidungen, Brüche, Vorsätze und die Akzeptanz aller Umstände. Nach einem Prolog gibt es dann in drei mal vier Songs die Reise durchs Ich – insgesamt gut 72 Minuten einer atmosphärisch vielfältigen Musik.
Sanftes Klavierspiel leitet uns in Richtung Himmel. „Pushing The Sky" wird zum Rocksong, in dem wunderbare Harmonien mit Mehrfach-Gesang durch die Luft streifen. Das Piano und die akustische Gitarre lassen sich führen von straighten Drums, die mit Hilfe der Stromgitarre die Spannung ansteigen lassen. Steigerung bis zum exzessiven Chorus, komplexe Instrumentaleinlagen und wiederkehrende Melodien zeigen gleich die Stärken des Griechen. Mit diesen musikalischen Eigenschaften ist es nicht verwunderlich, dass einem recht bald STEVEN WILSON einfällt.
„The Great Outdoors" bewirkt mit balladesken Momenten und kleinen, hübschen tonalen Spielereien ein Wohlsein, dass man es sich auf der Reise in die Fremde behaglich machen kann. Einen kurzen Übergang bildet ein rhythmisches Instrumentallied, das eine ungewisse Atmosphäre verbreitet.
Leicht verstörend geht es im Unterbewusstsein von SPYROS CHARMANIS weiter. „Subconcious" erzählt von der schönen Realität, während dessen heißt es: „...underneath the ice gets bigger". Es ist die Geschichte von eine schlaflosen Nacht, die den Wachenden fast in den Wahnsinn treibt, bis er einfach nur noch leise bittend mit sehr ruhigen Klängen Schlaf verlangt.
Dementsprechend sachte geht die Suche nach dem eigenen Ich in „You've met someone" weiter. Wunderschöne Oboenklänge verstärken das mystische Forschen nach dem Selbst, das phasenweise mit Klavier oder Gitarre behutsam daherschwebt.
Die zweite Phase beginnt mit einem düsteren Kammerspiel, das mit manchen Verfremdungseffekten die Stimmung verklausuliert. Dafür rockt das folgende „Hinder" wieder geradeaus, doch es gibt genügend Synkopen, die für Progressivität sorgen. Gegen Ende des Siebenminüters steigert sich die Laune in sich wiederholenden Phrasen, bevor sie schnell zusammenbricht. „Open Wound" ist in der ersten Hälfte kaum wahrnehmbares Leiden, das sich im weiteren Verlauf mit dramatisierenden Gitarrenmelodien emporschraubt.
„Our Time Expires" ist so ruhig, als ob man das Leben schon aufgegeben hätte. Ein melancholischer Akustiksong mit Streichereinsätzen, der in den „September" hinüberfließt. Dieser Monat beginnt mit dunklen Trommeln und mysteriösem, dunklem Männergesang und ist nur ein kurzes Zwischenspiel.
Die letzten beiden Stücke ergeben insgesamt nochmals achtzehn Minuten progressive, gefühlvolle Rockmusik. In „Exit Wound" entstehen röhrende Sounds, die dem Stück eine gewisse Härte verleihen, unterstützt vom Groove der Riffs. „Say Goodnight" beginnt mit versöhnlichen Chören und spielt nochmals alle Stärken von Ruhe bis kraftvollem Aufbäumen aus.
Wie DREAM THEATER in ruhigeren Momenten oder schwermütig wie bei STEVEN WILSON hat SPYROS CHARMANIS ein komplexes Werk geschaffen, das sich mit Hilfe von vielen angenehmen Melodiebögen nie in Verwirrungen verläuft. Wenn man sich auf die lange Reise einlässt, erfährt man musikalische Vielfalt, die eine komplizierte Gefühlswelt präsentiert, ohne in unverständliche Extreme zu verfallen. Einfach wunderschön!
Manuel
"Größtenteils harmlos."