O.S.I. - Free


Review


Stil (Spielzeit): Prog (48:10)
Label/Vertrieb (VÖ): InsideOut Music/SPV (21.04.06)
Bewertung: Eigenständig, gekonnt, klasse! (8,5/10)
Link: www.osiband.com

FATES WARNING, CHROMA KEY, DREAM THEATER… Namen, die den gemeinen Prog-Fan nicht nur mit der Zunge schnalzen, sondern vor Ehrfurcht andächtig zu Boden sinken lassen dürften. Was also passiert, finden sich die Hauptdarsteller dieser Götterbands, genauer Jim Matheos, Kevin Moore, Joey Vera und – wer auch sonst? – Mike Portnoy, nun schon zum zweiten Mal zusammen, um gemeinsam unter der Bezeichnung OFFICE OF STRATEGIC INFLUENCE (der Name einer zu Propagandazwecken eingerichteten US-Behörde, kurz: O.S.I.) dem Prog zu frönen, nein: zu huldigen? Es hagelt Genialität. Und nicht zu knapp!

Ursprünglich war O.S.I. als Matheos’ Soloprojekt geplant, und so bilden die Arrangements des Fates-Warning-Gitarristen auch das eigentliche Herzstück von „Free“. Um eines vorwegzunehmen: Auf der gesamten Scheibe findet sich nicht ein einziger uninspirierter oder gar schwacher Moment, es gilt im Folgenden einzig und allein, den großzügig gesäten Highlights die Aufwartung zu machen. Dass bei einer derart hochkarätigen Besetzung keine Schwächen bezüglich der Instrumentenbeherrschung auftreten würden, war zwar von vornherein absehbar, doch dass trotz dieser geballten Klasse immer der Song, nie die Selbstdarstellung einiger hochbegabter Musiker im Vordergrund stehen sollte, konnte man nicht unbedingt ahnen. 

Genau dies aber ist der Fall: „Free“ wirkt in seiner durchgehend düsteren Stimmung wie ein einziger Trip durch karge Seelenlandschaften, angereichert mit konsequenter Härte und herausragender Melodiosität. Einige Passagen erinnern an PORCUPINE TREE, manches an PAIN OF SALVATION, jedoch ist der Sound so eigenständig, dass allzu offensichtliche Anleihen gänzlich fehlen, gerade der Vergleich mit den Bands der Beteiligten fällt relativ mager aus, viel zu viel Wert wurde auf eigenständige Atmosphäre und experimentelle Sounds gelegt – insgesamt bewegt sich „Free“ sogar gelegentlich näher an der Grenze zu ruhigem Alternative-Rock oder gar Trip Hop der Marke PORTISHEAD oder MASSIVE ATTACK. 

Dem Opener Sure You Will, der mit seiner Mischung aus elektronischen Sounds, groovendem Bassriffing, harten Gitarren und einem Drumming, welches auf dieser Welt wohl nur Mike Portnoy in dieser für ihn so typischen Art und Weise auf die Bretter zu zaubern vermag, für so manchen gezerrten Nackenmuskel sorgen sollte, folgt mit dem Titeltrack Free ein erstes echtes Highlight der noch jungen Scheibe. Mit gehörigem Alternative-Einschlag poltert ein gehörntes Riffmonster gen Rock-Olymp, dem der Gesang Kevin Moores in seiner Laid-Back-Stimmung ausgesprochen gut zu Gesichte steht. Doch wer gedacht hätte, besser ginge es nicht, wird mit Go schon eines besseren belehrt: Die Szene wechselt, der Hörer findet sich in einer dunklen, elektronischen Klanglandschaft wieder. Ein Track zum Fallenlassen, zum Lautstärkeregler Aufreißen, bis die Magengrube vibriert. Mit All Gone Now, Bigger Wave und Kicking folgen weitere Perlen in der Schnittmenge der angeführten Musikstile, allerdings immer, ohne sich zu weit in die eine oder andere Richtung zu bewegen. 

So haben O.S.I. uns ein Album vorgelegt, welches, macht man sich die Mühe, sich ein wenig in die Arrangements und Klangwelten hineinzuhören, immer neue Details bietet, und dabei zu diesem bisher noch sehr trüben Frühling den perfekt passenden Soundtrack liefert. Bleibt den europäischen Fans nur zu hoffen, dass sich das Gespann in absehbarer Zukunft zum Schritt über den großen Teich entscheiden wird, um das Material live zu präsentieren. Daumen Drücken!

Das Album ist sowohl als Standard-Version als auch als Doppel-Album im Schuber erhältlich.