Stil (Spielzeit): Prog (56:28)
Label/Vertrieb (VÖ): InsideOut Music/SPV (28.10.05)
Bewertung: Musikalisch klasse, inhaltlich anstrengend (8,5/10 Punkten)
Link: http://www.nealmorse.com
Was soll man von einem Mann sagen, der eine Band auf dem Höhepunkt der Karriere verlässt, weil Gott es ihm gesagt hat? Neal Morse hat es getan. Nach dem Erfolgsalbum „Snow“ verließ er 2002 überraschend seine Band Spocks Beard, weil im nach eigener Aussage der Allmächtige befohlen hätte, seine Musikerkarriere zu beenden. Noch überraschender war sein 2003er Album „Testimony“, in dem er, von mehr religiösen Inhalten abgesehen, praktisch nahtlos an den Sound der Bärte anknüpfte. Nach dem Album „One“ und Touren durch diverse Gemeindezentren Europas liegt jetzt sein drittes Soloalbum vor, dass schlicht „?“ heißt. Und die Mannschaft, die er darauf versammelt kann sich sehen lassen. So sind Steve Hackett (Git.), Mike Portnoy (Dream Theatre/Drums), Jordan Rudess (Dream Theatre/Keyboards) Roine Stolt (Flower Kings/Git.) und überraschend auch Neals Bruder Alan (Spock’s Beard/Git.), mit dem bis zu diesem Frühjahr noch Funkstille bestand.
Musikalisch ist alles beim Alten. Morse kann keinen Moment leugnen, dass er über Jahre auch der kreative Kopf bei Spock’s Beard gewesen ist. Ob mit starker Beatles Schlagseite wie beim Opener The Temple Of The Living God, mit bombastischen Chören wie bei The Glory Of The Lord, balladesk wie Outside Looking In oder rhythmisch vertrackt wie bei Deliverance, alle typischen Trademarks werden bedient. Inhaltlich geht es, wie schon auf den letzten Alben von Neal Morse, extrem spirituell zu. Wer Neals Glauben nicht teilt, wird eventuell so seine Probleme mit den Texten haben, denn wo Morse früher ein wahres Genie war, wenn es darum ging anrührende Texte zu schreiben, bei den sich der Zuhörer einfach verstanden fühlen durfte, weicht er heute keine Sekunde von seinem missionarischen Kreuzzug ab.
Spock’s Beard Fans, insbesondere die, denen die neue geradlinigere Ausrichtung von Neals ehemaligen Kollegen nicht zusagt, kommen an diesem Album nicht vorbei. Das musikalische Genie kann man Neal einfach nicht absprechen und eigentlich muss jeder Prog-Fan dieses Album im Regal stehen haben. Ob man allerdings Neals neue inhaltliche Ausrichtung unterstützen möchte, bleibt dann jedem selbst überlassen.