Airbag - Identity




Stil (Spielzeit): Prog-Rock (55:00)
Label/Vertrieb (VÖ): Karisma Records / Plastic Head (22.06.09)
Bewertung: 8 / 10


Home / Myspace
Dass Airbags nach einem kernigen Frontalaufprall für Fahrzeuginsassen irgendwie was erholsam Chilliges an sich haben, ist für mich die nächstliegende Verbindung zwischen Bandnamen und Musik... Zumindest kommt mir das zwangsläufig in den Sinn, nachdem gerade eben noch ANAAL NATHRAKH über mich hinweggepflügt sind... Aber das konnten die Norweger ja nicht ahnen, als sie sich vor Jahren zum Covern von PINK FLOYD Songs zusammengetan haben...?!
Wie auch immer, irgendwann begannen die fünf eigene Songs im Fahrwasser der Prog-Professoren aus Cambridge zu schreiben. Das Resultat waren drei Demos, von denen die letzten beiden die Nummern fürs Debüt liefern: Nur „Speed of Light" vom 06er „Sounds that I Hear" und der Titeltrack von „Safetree" haben's nicht auf „Identity" geschafft. --- Ob die anderen Nummern neu aufgenommen oder vielleicht nur neu abgemischt wurden, entzieht sich meiner Kenntnis.
Soweit die eigene Recherche(unfähigkeit). Die anderen, endlich mal rein sachlichen und vor allem: sachlich korrekten Stichworte liefert das Promo-Sheet. Übersetzt: „AIRBAG haben sich einen einzigartigen Sound mit Elementen aus klassischem und Progressive Rock, Chill und Jazz geschaffen; beeinflusst von (...) PINK FLOYD und PORCUPINE TREE bis hin zu TALK TALK, RADIOHEAD und MARRILLION (Steve Hogath Ära)... malerische Klanglandschaften mit epischen Gitarren und seelenvollem Gesang." Das kann man so stehen lassen. Ergänzen kann man vielleicht noch, dass man bei den genannten Referenzen am besten immer an ihre besonders relaxten und chillenden Momente denken sollte. Und dass es keinen Grund gibt, bei dem Wort „Jazz" in Panik auszubrechen. Das bleibt alles ganz unaufgeregt und hintergründig. Ich lass' noch mal zwei Namen fallen: Anders Rypdahl und Kjetil Bjørnstad... Wer die Osloer Jazzszene der 90er ein bisschen kennt, weiß, dass es da eher um Atmosphären als hektisches Gefrickel geht...

Im wertenden Teil fällt mir erstmal nur Positives ein; und das trägt wiederum zwei Namen: Asle Tostrup (voc) und Bjørn Riis (git., voc). Schon ihre gefühlvollen Einlagen allein würden die Anschaffung des Albums rechtfertigen... traumhaft, wunderschön und voller honigsüßer Melancholie, die sich (daher auch die Vergleiche mit TALK TALK) vom Kitsch ganz lässig fernhält. Hört man genauer hin, stellt sich raus, dass auch die drei Kollegen extrem viel Gefühl an den Tag legen, wobei mir insbesondere der völlig unauffällige Tastateur (Jørgen Hagen) auffällt. Ob Hammond-Georgel oder sphärische Synthiegeräusche... famos dezent und dabei absolut Atmosphäre bildend...
Ein Tag mit Dauerregen, die Freundin hat Schluss gemacht, die Geldkarte wurde vom Schlitz in der Wand nicht wieder rausgerückt und das Schlimmste: kein Kaffee mehr... „Identity" wäre der ideale Soundtrack für so einen „Gebrauchten"; es macht dessen Blues greifbar. Und ist dabei herrlich tröstlich...

So etwas wie ein Fazit: Vor ein paar Tagen bin ich wegen ENOCHIAN THEORY völlig aus dem Häuschen geraten; 10 von 10 im von mir ungeliebten Prog-Bereich. Und in einem Punkt sind AIRBAG den Engländern nicht nur auf den Fersen, sondern ihnen sogar voraus. Sie haben mindestens ebensoviel Seele und noch mehr... ääh, Anmut im Spiel. --- Was ihnen aber komplett abgeht, sind Tempovariationen und wechselnde Atmosphären. Jedes Stück ist ein Genuss, wie die ganze Platte. Aber das ist das Problem. Eigentlich sind nicht nur alle Stücke gleich geil, sondern auch bloß gleich. --- Weniger als 8 Punkte wäre aufgrund der Qualität der Songs ein Skandal, mehr geht aber wegen der (relativen) Eindimensionalität irgendwie auch nicht...