In den 1990er Jahren war COLLAGE von der Bedeutung her dank des Albums "Moonshine" für den polnischen Progressive Rock in etwa das, was heute RIVERSIDE ist: ein vom eigenen Erfolg überraschtes Flaggschiff.
Dieser Tage hat Ex-COLLAGE-Gitarrist und Mastermind Marek Gil mit zwei Kollegen von damals, drei weiteren Musikern sowie dem Texteschreiber Robert Sieradzki ein neues Projekt am Start. BELIEVE heißt es und soll weit mehr als ein langweiliger Aufguß sein. Folglich wurde der Sound verändert: statt wie damals von üppigen Keyboardteppichen sehr eng oder gar zu eng umschlungen zu werden, sind Vocals und Gitarren klar zu hören. Der ein oder andere Neo Prog -Fan wird sich deshalb weniger mit dem neuen Projekt anfreunden können, als dies beim Vorgänger der Fall gewesen sein mag. Allerdings liegt eine durch die neue Gewichtung entstehende Chance auf der Hand: Der Rock im Progressive Rock könnte deutlicher hervortreten.
Und tatsächlich: es ist Rock, den man auf "Hope To See Another Day" zu hören bekommt, doch erwartungsgemäß wird der Hörer nicht mit juvenilem Testosterondunst, sondern mit einem stilsicheren, etwas gesetzt wirkenden Klanggewand konfrontiert, welches sich die Band überstreift. Manch ein heftigerer Ausbruch an Leidenschaft würde dem Sound gut tun, aber es wäre übertrieben, der Band vorzuwerfen, dass sie nicht kraftvoll spielen könnte. Häufig steht am Ende einer "Steigerung" innerhalb der zumeist etwa sechsminütigen Songs ein Hard Rock -Gitarrensolo oder, was eine sehr schöne Abwechslung darstellt, eine hübsche Melodie der von der Japanerin Satomi gespielten Violine.
Das Wörtchen "Steigerung" war vorhin nicht ohne Grund in Anführungszeichen gesetzt. Das große Manko des Albums ist sein braves Dahinfließen. Nirgendwo reißt einen ein auffällig lauter, vertrackter, verrückter oder überraschender Moment mit. Sogar das Wort "Mainstream" schleicht sich in meinen Kopf und ich bin mir nicht sicher, ob das im Sinne der Band ist. Ums nochmal klar zu sagen: alle Musiker sind gut, der Gesang ist gut, das Songwriting ist gut…alles ist gut und in einem ganz speziellen Sinn perfekt, nur dass leider ein "aber" stehen bleibt. Mag sein, dass man beim 30. Durchhören bezaubernde Feinheiten entdeckt, aber wer hat soviel Geduld?
Was bleibt? Die möglicherweise schnell verblassende Erinnerung an ein gutes Album ohne einen einzigen Ausfall, dessen Liedern leider das gewisse Etwas fehlt, das mich zu den wirklich hohen Wertungen greifen lassen würde. Ein wenig mehr Mut zu Härte, Rhythmik, Experimenten und vor allem Tempowechseln hätte viel bewirken können, insbesondere "Seven Days" hätte sich hierfür angeboten. Vielleicht liegt das Problem weniger in den Songs als in einer zu gleichförmigen Produktion, die es versäumt, den einzelnen Liedern Individualität gegenüber den anderen Stücken des Albums zu verleihen. Wohlklang hat dieses Album massig zu bieten, doch ist das nicht alles, worauf es bei Musik ankommt. Ich höre folglich weiterhin RIVERSIDE, da gibt's Wohlklang plus all den Sachen, die ich gerade als bei "Hope To See Another Day" fehlend aufgezählt habe.
Fazit: Wer auf ausgereiften sanften Rock mit Prog-Einschlag und romantische Abende zu zweit steht, sollte unbedingt reinhören!
Anspieltipps: Hier wird wieder das Problem des beschriebenen Gleichklangs deutlich. Irgendwie ist alles empfehlenswert und doch nichts so richtig.
Am ehesten kann ich noch folgende Tracks hervorheben:
What Is Love?
Seven Days
Don't Tell Me
Stil (Spielzeit): Sanfter Rock mit Prog-Einschlag (55:11)
Label/Vertrieb (VÖ): Galileo-Records / Pängg-Records (21.03.2006)
Bewertung: Schön (7/10)