Stil (Spielzeit): Retro- und Neoprog, Rockoper/-operette/-musical (1:01:28)
Label/Vertrieb (VÖ): Galileo-Records / Pängg (07.08.2006)
Bewertung: 6/10
Link: Offizielle Website
Es dürfte einige Wörter geben, die in jeder Rezension von "Âmes Vagabondes" der französischen Prog-Band EX-VAGUS vorkommen werden. Neben den naheliegenden Begriffen "Rock" und "progressiv" wären dies: Operette/Musical, Kirmes/Zirkus, Chanson und exaltiert. Nun klingt so eine Aufzählung reichlich trocken, deshalb folgt jetzt der etwas "saftigere" Teil.
Was für ein Album macht wohl eine Band, die Geschichten erzählen will, über die Erfahrung von vier Alben verfügt und bereits zwei Rock-Opern verfasst hat? Ein song-orientiertes rockopernhaftes Album natürlich. Im Großen werden also Erwartungen erfüllt, aber interessanter ist es, wie die Band mit den Erwartungen des Hörers innerhalb der Songs umgeht. Soviel vorweg: Sie auszutricksen scheint eine Leidenschaft der Franzosen zu sein, so entschlossen bauen sie seltsame Wendungen ein.
Jahrmarktorgel, operettenhaften Gesang und MARILLION-mäßige Gitarre muss man erstmal in einem Lied unterbringen! Zu Beginn von "Astrodelica" nervt der in der Heimatsprache gehaltene Gesang durch seine absichtliche Überdrehtheit und bis an die Grenze des Absurden getriebene Theatralik, doch zum Glück ist nicht alles so exaltiert und es werden dem Hörer auch Verschnaufpausen gegönnt, in diesem Fall durch die sehr gelungene zweite Liedhälfte.
Das 11 ½ -minütige zweite Stück ist erheblich breiter und gleichmäßiger angelegt, wird von Christian Decamps (ANGE) im Gesang unterstützt und gibt insbesondere dem Keyboard und der Gitarre viel Platz. Der ruhige Fluss wird jedoch durch beunruhigende Klänge gestört, klar, handelt das Lied doch auch vom bedrohlichen Nebel (rate ich mangels Sprachkenntnis auf Basis des Titels). Auch ohne Französischkenntnisse ist klar, dass hier Geschichtenerzähler am Werk sind, die die Musik dementsprechend einsetzen. Jedes Lied ist eine Miniaturoperette (oder Progerette?) und lotet von leisen Tönen bis hin zum üppigen Kitsch alles aus. Wenn man sich den Gesang auf englisch vorstellt, kann man stellenweise Ähnlichkeiten zu QUEEN entdecken.
Nun folgt ein Neoprog-Stück, welches von einem der düstersten Lieder des Albums und einer musikalisch eher langweiligen, überlangen Ballade abgelöst wird.
Ab Track 6 wird es wieder interessant. "Au domaine des Troi Collines" setzt wieder auf epischen Sound und gehört zu den besten Liedern, steht aber im Schatten des noch stärkeren "Un Petit Empire". Schade, dass ausgerechnet bei letzterem Song die Produktion der Gitarren bei den rockigen Parts mit der Qualität der Komposition nicht mithalten kann. Dann wird noch ein letztes Mal eine der für EX-VAGUS so typischen Mini-Rockopern aufgeführt und dann fällt der Vorhang.
Fazit:
Wenn man erstmal auf den Gesang klarkommt, hat man ein kreatives, dramatisches und auch lustiges Progrock-Album vor sich. Chapeau? Naja, nicht so ganz. Irgendwann ist man einfach zu Tode gerockoperettet!
Anspieltipps:
Astrodelica
Au domaine des Trois Collines
Un petit empire