Silverstein - Rescue Tipp

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Stil/Spielzeit: Post-Hardcore/ Punk-Rock/ Modern Rock (39:42)
Label/Vertrieb (VÖ): Hopeless Records (26.04.11)
Bewertung: 9/10
Link: Offizielle Bandseite

Hoppla, da macht "The Artist" doch fast meine Boxen müllreif, soviel Druck hätte ich ab Sekunde eins gar nicht von den Kanadiern erwartet. Tatsächlich scheint sich ein deutlich dickerer Sound auf "Rescue" breit zu machen, als noch auf den Vorgängern. Zugegeben, ich stand schon immer auch auf den trockenen natürlichen Klang SILVERSTEIN'scher Outputs, einfach, weil sie sich "trauten", weniger überproduzierte Platten abzuliefern, als jüngere Gerne-Vertreter. Selber Umstand existiert bei FOO FIGHTERS, die trotz ihrer (angehenden) Weltbekanntheit teilweise rotzigen, fast schon unsaubere Produktionen ablieferten, weil's zum Image passt. Sei es drum, was ist nun drin bei SILVERSTEIN, zwei Jahre nach dem Neckbreaker "A Shipwreck In The Sand"?

Der Dosenöffner "The Artist" war ja schon umschrieben: schnelle Beats, fette Screams und doppelläufige Gitarren, und ein geiler Breakdown. Shane Tolds melodischer Gesang rundet die Nummer eher als Hintergrunderscheinung ab. Brendan Murphy (COUNTERPARTS) brüllt als Gastkünstler auch kräftig mit. Mit diesem Song überwalzen die Jungs "I Am The Arsonist" von der Vorgängerplatte ohne Probleme. Fett, fett. Bleibt das so? Erstmal weniger:

"Burning Hearts" kommt bekannt gerade und schnell daher, Herr Told singt über gebrochene Herzen, unterstrichen von Bratriffs, der Mittelteil entspannt sich sogar etwas. Das Solo am Ende des Songs haut nochmal rock'n'rollig auf's Brett. Mein nächstes ungläubiges Aufhorchen erzeugt der Fast-Pop-Punk-Song "Darling Harbour". Der Refrain hat einen dicken Haken im Gepäck, die Strophen kommen gerade angeflogen, komplett ohne metalige Kanten und Krallen. Einfach schön. Der Song ist für mich ein großer Anspieltipp.
"Forget Your Heart" klingt wieder bekannt nach Vorgänger, erinnert mich stark an "Broken Stars", kommt dann zum Ende hin mit einem schicken Rasenmäher um die Ecke. Die Halbballade "Good Luck With Your Lives" setzt auf Taktwechsel und weite Gitarrenläufe und swingt sich so zu den großen Momenten von "Rescue" hoch.

Was ich gerade noch etwas vermisse, sind die "[...] tons of screaming and breakdowns [...]" die SILVERSTEIN via Facebook Ende Februar 2011 versprachen. Nicht, dass es mich stört, das bis jetzt nicht so zu empfinden. Nur gestaltet sich die Abgrenzung zwischen härteren und radiotauglicheren Nummern auf "Rescue" mehr als jemals zuvor.

"In Memory Of..." ist ein weiterer wirklich schöner Song im 6/8-Takt, welcher die Arbeit von Neil Boshart und Josh Bradford an den Sechs-Saitern angenehm hervorhebt. Das Outro ist toll! Shane Told setzt gesanglich dort an, wo er in "A Shipwreck In The Sand" aufgehört hat. Die allzu geraden Eintonlinien sind komplexeren Gesangslinien mit mehr Intonation gewichen. Ob das allen Fans gefällt, bleibt abzuwarten.
Als hätte die Platte meinen Einwand vom letzten Absatz mitbekommen, schreddert "Intervention" mir Luftlücken in die Frisur. Im Mittelteil fliegen dann Bosharts Finger über's Brett, Bradford sägt das Fundament weg. "Live To Kill" dreht die typische Post-Hardcore Struktur um und zwitschert süß in der Strophe, um mit saftiger Shouteinlage im Refrain zu punkten. Das läuft.
Der wohl repräsentativste Song des Albums ist "Medication", der mit sphärischen Strophen und brechharten Übergängen jeder normalen Songstruktur aus dem Weg geht und mit im Mittelteil die Hunde los lässt. Erinnert stark an den unerwartet schönen Titelsong des Vorgängers.

Die verbleibenden Tracks sind die Übernummer "Sacrifice", mit der SILVERSTEIN schon auf der Vorab-EP punkten konnten, und die klasse Rocksongs "Replace You" und "Texas Mickey" (Anspieltipp!), von denen letzterer mit einem Feature durch Anthony Raneri von BAYSIDE aufwartet. Die Songs bestechen mit geraden Strophen, rotzigen Meckerparts und großen Hymnen in ihren Refrains und sympathisieren mehr mit dem Modern-Rock, als mit Post-Hardcore.

SILVERSTEIN gehen somit durchaus einen Schritt weiter und erweitern ihren musikalischen Horizont, was ich nach vier recht homogenen Alben sehr begrüße, ohne ihren Wurzeln untreu zu werden.