Abwärts - Europa Safe

Abwärts

Stil (Spielzeit): Deutschpunk (39:04)
Label/Vertrieb (VÖ): Cargo Records (07.10.11)
Bewertung: 8 / 10
Link(s): http://www.myspace.com/officialabwaerts

Seit über dreißig Jahren geht es abwärts… Mit Weltpolitik, Finanzmarkt, Anstand und Moral. Nur mit einem geht es aufwärts. Und das ist ABWÄRTS. Seit 1979 beweisen die engagierten Herren aus dem wunderschönen Hamburg mit jeder Veröffentlichung ein wenig mehr, dass Deutschpunk nicht zwingend schrammelig, niveaulos, billig und biergetränkt daherkommen muss. Dass es auch durchaus musikalisch anspruchsvoll, lyrisch hintergründig, im Ganzen hochwertig und dennoch leicht biergetränkt geht, demonstriert wieder einmal vorbildlich das neueste Werk der vier oberkritischen Punkrocker aus dem kühlen Norden und einer kleinen Stadt namens Berlin. „Europa Safe“ nennt sich dieser wie immer außergewöhnlich gestaltete und eher schwer verdauliche Punkrockbrocken. Außergewöhnlich gestaltet sowohl in Bezug auf das simple, aber effektive Artwork als auch auf die musikalische Ausprägung und schwer verdaulich aufgrund der zum Nachdenken anregenden und alles andere als fröhlich-seichten Texte sowie der vermittelten Atmosphäre, welche wieder einmal äußerst düster ausgefallen ist. Hallo, schlechte Laune...

Und tschüss, debil grinsender Stumpfsinn. Ob man ihn auf „Europa Safe“ nun direkt mit einer zündenden Songgranate wie „Das Böse“ besingt oder ihm einen wunderbar gehässigen Titel wie „Traumhochzeit“ widmet. Der Stumpfsinn ist stets präsent bei ABWÄRTS. Jedoch nicht etwa in der Art, in der er beispielsweise DIE KASSIERER gern begleitet, sondern viel mehr als verachtenswertes Feindbild, welches von den vier sympathischen Absteigern pausenlos aufgezeigt, angeprangert und bekämpft wird. Also die Texte sind gewohnt intelligent, kritisch und angenehm unverblümt. Den meiner Meinung nach schlechtesten lyrischen Erguss kriegt der geneigte Hörer bereits im Opener namens „Ich habe heute ein Scheißgefühl“ auf seine verwöhnten Ohren. Das hat meinen Ersteindruck leider etwas gedämpft. Doch in den neun darauffolgenden Tracks geht es wie so oft in dieser Bandgeschichte glücklicherweise wieder einmal aufwärts. Mein Favorit ist dabei der kalte, fast schon schwermütige Titeltrack, welcher wahrhaftig eine nachhaltige Wirkung hinterlässt. Die zehn Kompositionen werden durch drei seltsame Einspielungen namens „War“ ergänzt, so dass man auf insgesamt dreizehn Tracks in fast vierzig Minuten kommt...

Für die üblichen knappen fünfzehn Euro ein gutes Geschäft. Wer die Vorgänger mochte, der kann hier bedenkenlos zugreifen. Wer ABWÄRTS bisher nicht kannte, der kann hier ebenso bedenkenlos zugreifen, sofern er denn hochwertigem Deutschpunk mit leichter Metallkante und ernstzunehmender Attitüde der Marke DRITTE WAHL etwas abgewinnen kann. Und wer ABWÄRTS nur von ganz früher noch kennt, dem sei gesagt, dass sich seit des Comebacks im Jahre 2004 musikalisch so einiges getan hat bei den Jungs um Frontmann Frank Ziegert. Ist auch das Grundkonzept weitestgehend geblieben, so hat man sich doch mit dem Einstieg von Multitalent Rodrigo Gonzales, welcher sonst DIE ÄRZTE am Bass unterstützt, in deutlich härtere musikalische Gefilde vorgewagt. Vom Synthesizer-beeinflussten New Wave-Punk ist nicht viel geblieben, die Neue Deutsche Welle ist vorüber und auch die astrein punklastigen Platten sind nicht mehr so richtig vergleichbar mit dem, was ABWÄRTS seit der „Nuprop“ so auf die Menschheit loslassen...

Denn heutzutage spielt man im Hause ABWÄRTS sterile, manchmal metallische und häufig auf den ersten Blick eintönig wirkende Riffings zu treibenden Trommeleien und Bassläufen, welche von einer gerne auch mal richtig bösartig klingenden Stimme gekrönt werden. Genau diese von einigen bösen Zungen als langweilig bezeichnete Monotonie der Songs ist es, die mich persönlich total begeistert. Das ist definitiv ein Alleinstellungsmerkmal. Überwiegend im Midtempo angesiedelte, fast schon mantraartige Punkgewitter mit subtilen und oftmals erst nach dem dritten Durchlauf zündenden Melodien harmonieren meines Erachtens perfekt mit den bedrückenden Texten. Das ist eine zeitgenössische Horizonterweiterung, die den Jungs wirklich gut tut und den Aufwärtstrend manifestiert. Am Sound könnte noch ein wenig gefeilt werden, aber insgesamt gefällt mir „Europa Safe“ sogar noch ein wenig besser als „Rom“...