Die Ärzte - auch Tipp

die aerzte auch cover

Stil (Spielzeit): Die Ärzte Sound (52:23)
Label/Vertrieb (VÖ): Hot Action Records (13.04.2012)
Bewertung: 8,5 /10


Die Ärzte Homepage

„F... Dich und deine Schwestern" ist der erste Satz auf der neuen Scheibe von DIE ÄRZTE mit dem semi-originellen Namen „auch". Selten hatte ich so Bammel vor der Veröffentlichung einer von mir gemochten Band. Was gibt es Schlimmeres als, wenn „deine" Band nicht deine Erwartungen erfüllt? Da jeder andere Erwartungen hat, ist die Lösung dieser Aufgabe für keine Band der Welt machbar und es wird immer so sein, dass eine Seite „Yeah" schreit und ein andere Teil „Ach nöööö, lass mal...".

Besonders nervend fand ich diesmal die Berichterstattung im Vorfeld der Veröffentlichung. Mir persönlich ist es so was von egal, wer wie viele Lieder beigesteuert hat und welches Lied von wem ist. Mit der Veröffentlichung der kompletten CD im weltweiten Netz und zwei Videos für jeden einzelnen Song, war ich ganz ehrlich tierisch überfordert. Zumal die Drei dann auch noch immer die gleichen Klamotten anhatten und das auf mich wie „mal auf einen Wisch alle Videos reingehauen, wenn wir für jedes Lied eines machen, dann meckert auch keiner" und nicht mehr wie Kunst gewirkt hat.

„auch" glänzt mit einer originellen Verpackung und sieht aus wie ein kleines Spiel. Das vormals von mir mit dem Prädikat „hässlichstes DIE ÄRZTE Cover" ausgezeichnete Cover erfüllt somit also doch einen Sinn, und deshalb bleibt der Titel für das hässlichste Albumcover von DIE ÄRZTE bei „Planet Punk".

Die Songtitel sind, genau wie bei „Jazz ist anders", auf die Seite der Verpackung gedruckt, ebenso wie alle anderen üblichen CD Angaben, plus eine Altersangabe für das im Inneren erhaltenene Spielchen. Die CD könnte theoretisch als Würfelrad für das Spiel benutzt werden und ist entsprechend bedruckt. Ich traue mich nicht, die CD zur Auswahl zu drehen und für so etwas zu missbrauchen („Dürfen die das?"). Außerdem gibt es neben drei Kronkorken (jeweils bedruckt mit einem „F", „B" und einem „R") einen Spielplan, der auf der einen Seite mit kleinen netten Aufgaben bedruckt ist, die sich thematisch mehr oder weniger an den Inhalten der einzelnen Songs orientieren. Auf der anderen Seite sind die Texte und die diversen „Ich grüße alle, die ich kenne..." und „Ich spiele total gerne mit Instrumenten von...." Standards.

Standard ist die neue Scheibe von DIE ÄRZTE nicht und „viel von dem, was sie sagen, ist immer noch richtig und schlau". Was mir an „auch" besonders gut gefällt, ist die Abwechslung. Noch mehr als bei „Jazz ist anders" wird mit verschiedenen Stilen und Gesangsmöglichkeiten gespielt, ohne die Trademarks von DIE ÄRZTE zu vernachlässigen. Selten war eine Scheibe von DIE ÄRZTE so homogen und an einem Stück durchzuhören. Richtige Ausfällle gibt es auf „auch" nicht. Mit Songs wie „M+F" tat ich mir anfangs schwer, auch mit „Lasse redn" von „Jazz Ist Anders" konnte ich zuerst nichts anfangen. Aber früher oder später setzen sich Lyrics wie „...Männern und Frauen ist zuzutrauen, dass sie sich gegenseitig gerne die Nacht versauen..." dann doch durch und bringen mich zum Schmunzeln und setzen sich unweigerlich fest. Und so finden auch die ganz radiotauglichen, poppigen Songs den Weg in mein Ohr.

Auffällig ist auch, dass Farin um Längen besser Gitarre spielt. Ich dachte, der Typ zieht nur noch durch die Welt und knipst sich die Finger wund. Zwischendrin hat er aber anscheinend ordentlich am Gitarrenspiel geübt. Eventuell hat Rod auch nachgeholfen und Tipps gegeben, egal wie: es fällt extrem positiv auf und hebt die musikalische Qualität auf „auch". Nachzuhören auf „Cpt. Metal", einer der lustigsten und besten Songs auf dem Album, endlich mal wieder mit hohem Moshpotential und live sicherlich gut abzufeiern.

Frühere Texte wie „Rebell" oder „Rettet die Wale" klingen eben heutzutage so, wie „Das darfst du" und das geht vollkommen in Ordnung. Texte wie: „Dir wird endlich bewusst, was du alles nicht musst! ...nur weil die Angst regiert, heißt es nicht, dass du auch welche hast....". Alles richtige Sätze mit Aussage, denn auch als Erwachsener muss man immer wieder erinnert werden, dass man nicht alles muss und sich ruhig auch mal dagegenstellen kann, nein muss! Die Aufforderungen zur Beteiligung sind etwas subtiler geworden und trotzdem zetteln die DIE ÄRZTE auch hier und da auf „auch" noch kleine Revolutionen an, beziehen Stellung und verpacken Botschaften in spaßige Texte.

Mit „auch" haben die drei Herren (aus Berlin!) eine tolle, abwechslungsreiche, 16 Track starke (!) Platte mit humorigen Texten (über Musik, Gott, Beziehungen, nervende Annäherungssversuche, Fernseher im Schlafzimmer, Superhelden und Tamagotchi), eingängigen Melodien und einer originellen Verpackung abgeliefert. Sicherlich werden sie damit nicht jeden Fan zufrieden stellen und sich Kritiken wie „zu weich, nicht lustig genug, zu langsam, nicht weiterentwickelt, zu wenig weiterentwickelt, zuviel weiterentwickelt..." anhören müssen. Wer die Berichterstattung über diese Band nur ein ganz klein wenig beobachtet, der muss zugeben, dass hier keine normalen Maßstäbe anzusetzen sind. Die Band selbst hat es mit „Ein Lied für Dich" damals sehr gut auf den Punkt gebracht: es muss Fans und Feinde der Band geben. Denn ohne die einen sind die anderen nichts wert.

Ich bin mit dem Ergebnis in Form von „auch" sehr zufrieden: „Solange er nichts verspricht, was er später nicht hält, muss ich sagen, dass mir Gott sehr gut gefällt...! Ich habe einen Gott bei mir im Regal" (Auszug aus „Waldspaziergang mit Folgen").

Ersetzt man „Gott" durch „Rod", obwohl... kann man sich aus Holz einen Rod schnitzen?