Stil (Spielzeit): Rotz-Rock meets Soundtrack (41:51/55:13)
Label/Vertrieb (VÖ): Nois-o-lution (13.10.06)
Bewertung: 5/10
Link: www.claus-grabke.com
Ein zweischneidiges Schwert, dieses Doppelalbum. Aufgeteilt in die beiden Kapitel bzw. Platten „Dead Hippies" und „Sad Robot" kann ersteres durchaus punkten, mit rotzigem Riff-Rock, ungeschliffen und laut, die zweite Scheibe hingegen säuft in meinen Gehörgängen nahezu gnadenlos ab. Was hat CLAUS GRABKE denn hier geritten? Aber beginnen wir bei Kapitel eins:
Im Vorwort des Booklets erklärt Grabke kurz die Idee: Ein Rock-Album ohne jegliche Overdubs aufzunehmen, ohne doppelte Gitarrenspuren, Effektheischereien, etc.. Das Ergebnis klingt genau so: Geradeaus, zu 100 Prozent handgemacht, rau und direkt. Leider auch ziemlich unspektakulär und teilweise sogar nervig - die Stimme überspringt mehr als einmal die Zerrgrenze, steht fast durchgängig kurz vor'm Überschlag und gesanglich am absoluten Limit. Das ist zwar Rock, geht mir aber schnell auf den Zeiger, denn viel mehr als laut und gröhlig steckt denn auch nicht dahinter. Melodien zwischen Rotz-Punk („I Never Wanted Anything So Bad") und 0815-Riff-Rock, 100% live-tauglich und durchaus spaßig, jedoch oft gehört und völlig unspektakulär. Wenn das der Plan war, nun gut ...
Kapitel zwei dieser Doppelpackung beginnt schon mal sehr eigenartig. Grabke singt mit hoher Fistelstimme zu schwummerigen Gitarrentönen, im Hintergrund sphärisches Keyboardflirren. Song zwei - nahezu gleiches Bild. So was fand ich bei THE GATHERING schon scheiße, bei Claus Grabke passt es noch weniger. Klar, Grenzen ausloten und nicht an den Hörer denken, sondern sich selbst verwirklichen - das alles bildet den Rahmen, und so schreibt auch Grabke selbst im Vorwort, es hätte für Scheibe zwei keinerlei Grenzen gegeben, traurig-ruhige Musik als krasser Gegensatz zur anderen Scheibe also. Dass sich das dann fast nach NICK CAVE anhören muss, nur leider meist nicht annähernd so packend, ist schade. Immerhin interessant, dass sich der Ex-THUMB-Sänger und ALTERNATIVE ALLSTARS-Mastermind mit solcher Mugge überhaupt an seine Fans wendet.
Und so plätschert ein Song nach dem anderen melo-dramatisch dahin, gerne auch mit Streichern, Piano, Flötenklängen, Pauken, Rasseln und Trompeten. Mutig finde ich das, aber hören will ich's beileibe nicht, weil es eigenartig konzipiert wirkt, so nach dem Motto: „Nun lass uns mal etwas ganz Verrücktes probieren ...". Mit einer Ausnahme, die es in sich hat: „You Were All To Me" würde auch als Filmscore funktionieren. Mit komplettem Orchester und wirklich aufwühlender Emotionalität gesungen, steigt dieser Song kometenhaft in den Himmel, hoch über den verschwurbelten Rest der Platte. Hier finden sich Klassik und Pathos ohne Effekthascherei oder Exotenschlagseite, einfach großes Kino - Respekt, denn auch das hätte ich nicht erwartet.
Insgesamt schwankt „Sad Robot" zwischen Soundtrack und Esoterik-Laden-Beschallung und bleibt somit für mich nur schwer konsumierbar.
„Dead Hippies - Sad Robot" ist ein sehr ungewöhnliches Werk geworden. Der Spagat zwischen Banalität und Genialität sowie die Verschrobenheit der zweiten Scheibe macht zwar einerseits seinen Reiz aus, sorgt auf der anderen Seite aber sicherlich für viele lange Gesichter bei den Fans der anderen Grabke-Projekte. Leider auch bei mir: Ein nettes Doppelalbum, aber das Konzept geht in meinen Ohren - auch als gesonderte Kapitel betrachtet - nicht auf.
Chris
Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!