Monophonist - Bilanz 2010 (EP)

Monophonist - Bilanz 2010 (EP)
    Punk, Rock, Hardcore, Jazz, Dubstep, Drum’n‘Bass

    Label: Laut! Records
    VÖ: 23.03.2012
    Bewertung:5/10

    Monophonist Homepage


Die vier Bandmitglieder von MONOPHONIST sind allesamt studierte Musiker und kommen aus Köln und Moers. Das heißt für einen Rezensenten, dass „ die was können müssen", noch dazu gibt es ein fünftes Bandmitglied für den Sound. Und um ganz sicher zu gehen, haben MONOPHONIS vierzehn (!) weitere Namen unter dem Titel „An dieser Aufnahme beteiligt" aufgeführt. Doppelt und dreifach hält besser.

Was mich gleich stutzig macht, ist die Tatsache, dass ich das Wort „Gesang" nicht finde. Das oder die Bezeichnung „Worte" bedeutet meistens nichts Gutes. Aber die Hörproben vorab und der Waschzettel machen mich neugierig. Die EP „Bilanz 2010" kann man sich sogar als 5.1. Surround- Version runterladen und das Stück „Vorhang" hat dafür einen Preis beim Wettbewerb des Verbands deutscher Tonmeister gewonnen.

Ich bin also entsprechend eingeschüchtert, muss aber schon bei den Gangshouts zum Titelsong „Unsere persönliche Revolte" herzhaft lachen. „... Eure Gussform" ist wirklich nicht dazu geeignet, im Chor geschrien zu werden. Allerdings merke ich schnell, dass MONOPHONIST wirklich schlecht drauf sind und tatsächlich reichlich Grund zur Anklage haben. Über die Existenz des Systems und natürlich auch über das System an sich. Die Texte appellieren an Menschlichkeit und Selbstreflexion. Stellenweise sind sie treffend, aber überwiegend sehr holprig formuliert und ich ertappe mich bei der Frage, ob ich zu dumm bin oder die einfach irre?

Das folgende „Der Vorhang" lässt mir dann kaum Zeit, richtig auf den Text zu achten, da ich wirklich um mein Leben bange. Der Song wechselt so schnell von hektisch in stressig über, dass ich Angst habe, Herz-Rhythmus-Störungen zu bekommen, oder noch schlimmer, einen epileptischen Anfall. Mir stellt sich auch die Frage, was ich zu dieser Musik machen soll? So schnell kann ich gar nichts kaputtschlagen, wenn ich dazu tanze, werde ich eingeliefert und textlich berührt es mich dann doch nicht so, dass ich einfach nur lausche. Kantige E-Gitarren ballern gegen Dubstep Bassattacken an, Synthesizerklänge wandern von links nach rechts, hohe Glockenspieltöne ergänzen das Spektrum.

„Erschütterung" ist ebenfalls chaotisch, bestätigt aber erneut, dass hier soundtechnisch Fachmänner am Werk waren. Der Trommelklang in Kombination mit dem Synthiesound und dem Donnergrollen haut mich trotzdem nicht gerade vom Hocker. Während das folgende „Kadenz" einfach nur belanglos ist, im Vergleich zu den anderen Stücken, reißen MONOPHONIST mit „Der Gelbe Lurch" und „Glaube Mir, Ich Meine Es Gut" einiges raus.

„Der Gelbe Lurch" ist ein vollwertiges, kantiges Rockstück mit hervorragenden Bassläufen und einem jazzigen Bruch, mit einem sehr schönen Saxophonstück und auch der Text ist der beste auf „Bilanz 2010". Auch wenn ich ihn nicht vollständig verstehe, scheint es doch um Machtpositionen und Ehrlichkeit besonders gegenüber sich selbst zu gehen. Toller Song!

Der Gesang bzw. die Stimme, nein noch präziser, die Rhythmik stören mich über die komplette Dauer von „Bilanz 2010". Renitent ist die Stimme von Jonathan immer daneben und ich frage mich, ob ich als Hörer (keine studierte Musikerin) so falsch bin, wenn ich finde, dass der Gesang zum Lied dazugehört. Würde mich nicht wundern, wenn Jonathan in einem ganz anderen Studio zu einem ganz anderen Song gebrüllt hat, einfach um zu schauen, was rauskommt. Zumindest kommt es bei mir als Hörer so an, oder als würde ein eher nicht so guter Freestyler die Wörter so ziehen, dass sie in seinen "Flow" passen.

Das letzte Stück „Glaub Mir, Ich Meine Es Gut", besticht durch gutes Drumming mit konsequentem Druck- und Formataufbau über Indie mit Synthie kombiniert, und im letzten Drittel tut er es plötzlich: Er singt! Passend zur Musik und mit seiner kratzigen, verzweifelten Stimme klingt es überragend gut. Allerdings gehe ich von einem gewollten Schachzug aus und fühle mich schon fast ertappt, da er folgendes singt: „...ich weiß, was du wirklich brauchst, glaub mir, deine einfachen Instinkte liegen vor mir wie ein offenes Buch....". Upps, erwischt, ja so ist es! Das Ende der Platte, fachmännisch wird der Sound abgedreht, ist ebenfalls sehr gut gelungen.

Schon allein dass ich massig darüber schreibe zeigt ja, dass MONOPHONIST interessant sind. Die Zerhackstückung aller möglichen Stilrichtungen (Punk, Rock, Jazz, Ambiente, Dubstep...) ist gelungen, aber daraus entstanden ist ganz sicher keine Platte, die man sich mal so eben nebenbei anhört. Vorab den Hörproben lauschen ist ein Muss!

Mir drängt sich der Verdacht auf, dass hier jemand ganz dringend etwas anderes machen wollte und dabei einige Dinge ignoriert hat, die einen Song zu einem guten Song machen, der auch für den Hörer nachvollziehbar ist. MONOPHONIST haben sich anscheinend schon sehr lange mit den Stücken auseinandergesetzt. „Bilanz 2010" sollte man mal gehört haben - eventuell sind MONOPHONIST auch einfach nur ungefähr zwanzig Jahre zu früh und „Bilanz 2010" wird in einigen Jahren unter Singer/Songwriter zu finden sein.