FACE TO FACE sind eine Institution. Wer in den 90ern auf melodischen Punkrock der kalifornischen Art stand, konnte einfach nicht an ihnen vorbeikommen. Und mit ihrem neunten Studioalbum in einem Vierteljahrhundert kehren sie auch wieder dahin zurück, wo es angefangen hat: zu Fat Wreck Chords (dessen Sound sie streckenweise mal mitgeprägt haben). Und ich werde jetzt Königsmord begehen.
Denn FACE TO FACE kann man unter Punkrockern manchmal gar nicht wirklich kritisieren. Schließlich haben sie eine ganze Generation von Bands geprägt. Und ja, auch „Protecion“ ist ein gutes, schnelles und knackiges Album. Aber das Problem mit dem Trio ist folgendes: sie machen so schnörkellosen Punkrock, dass ich sie ein wenig zu unaufregend finde. Natürlich beherrschen sie ihr Songwriting. Der Bass arbeitet ununterbrochen, die Gitarre kann dadurch zwischen Einwürfen und bratenden Akkorden wechseln und jedem Refrain scheint eine leicht melancholische Sonne aus der Endstation des Verdauungssystems.
Genau das sind die Merkmale von FACE TO FACE: schlichte, aber funktionierende Songs mit sehr viel Melodie und knackigem Midtempo bis hin zu schnelleren Nummern, einem charakteristischen Bass und einer sehr angenehm melodischen Stimme. Aber ehrlich gesagt haben sie vor 25 Jahren und dazwischen auch immer schon genau so geklungen. Und auch innerhalb der Songs des Albums selber gibt es kaum Höhen und Tiefen. Alle Songs sind gut. Im Ernst. Aber keiner reißt es mal nach oben oder unten raus. Selbst ein Song wie „Middling Around“, der in der Strophe tatsächlich härter als der Rest ist und somit den Weg freimachen könnte, wird dann spätestens im Refrain wieder in bekannte und leicht schmachtende Melodien aufgelöst. Da hätten die Amis echt mal auf die Kacke hauen müssen!
Man verstehe mich nicht falsch: Wer FACE TO FACE mag, wird auch „Protection“ hart abfeiern können. Der Sound ist super, die Songs sind flüssig und immer druckvoll. Aber auf Dauer ist mir das zu nett. Aber das Problem hatte ich immer schon mit FACE TO FACE. Ich mag sie, denn sie schreiben gute Songs – aber wo bleibt der Megahit? Wo bleibt der Ausbruch? Wo bleibt das Experiment? Wo die Weiterentwicklung?
Man kann sich die Platte wunderbar anhören – könnte aber auch eine ältere Platte von ihnen nehmen. Und jetzt darf ich mich bei den F2F-Fans in meinem Freundeskreis vermutlich nie wieder blicken lassen ...