BAYSIDE habe ich immer nur aus zweiter Reihe mitbekommen. Ich habe lediglich ein Album von ihnen durchgehört und fand es ganz cool – aber mehr auch nicht. Die Band war mir immer grundsätzlich sympathisch – aber mehr auch nicht. Mit „Vacancy“ hat sich das jetzt auf einen Schlag geändert. Denn das ist das Album, was ich ihnen immer zugtraut, aber eben noch nicht gehört habe.
Wie gesagt, meine Erfahrungen mit BAYSIDE sind nicht grade ausufernd, aber ich mochte diese Stimme immer. Leider waren mir die Songs manchmal etwas zu verkopft oder eben nicht genug auf den Punkt gebracht, um es richtig abzufeiern. Und dann fängt „Vacancy“ mit „Two Letters“ an und hat mich sofort im Bann. Ein dynamischer Song mit unendlich fließendem Songwriting, bei dem sogar JIMMY EAT WORLD zu „Bleed American“-Zeiten noch etwas hätten lernen können. Darüber diese fantastisch hohe, aber unglaublich gefühlvolle Stimme und ein Text, der unter die Haut geht. Cleane Akkordzerlegungen, Riffs, schöne Akkorde und kleine Spielereien und eine zweite Gitarre, die dem Song richtig gut tut. Ein Feature, welches ich so gut wie in jedem Song finde und das ihm damit etwas Bestimmtes, Eigenes gibt. Der Song ist die perfekte Mischung aus Punk und Emo und jetzt definitiv einer der Lieblingstracks des Jahres für mich.
Und so geht das Album weiter. Jeder Song bietet etwas anderes. Mal etwas mehr Emo, mal mehr Punk, mal etwas Screamo (ohne Geschrei) aber immer mit extrem guten Melodien, ausgefeiltem Songwriting und einer genialen zweiten Gitarre. Und dieses Mal zündet beinahe alles bereits beim ersten Mal und so entfaltet „Vacancy“ einen Drive, dem ich mich nicht entziehen kann. Dazu kommen immer wieder kleine Überraschungen in den Takten oder der Instrumentierung, die den perfekten Teppich für die Stimme von Anthony Raneri und seine Geschichten über Beziehungsenden und Trauerarbeit legen. Denn dieses siebte Studioalbum der Amis ist laut Pressetext ein „Breakup Album“. Und irgendwie schaffen sie es, bei jedem Song extrem melodisch und gleichzeitig clever zu sein. Das sind keine Songs, die man mal eben aus dem Handgelenk schüttelt.
Zusammengefasst: BAYSIDE legen hier ein Album vor, welches textlich unglaublich tief blicken lässt, musikalisch breit aufgestellt ist, selbst Streetpunk-Harmonien noch etwas Außergewöhnliches verpasst, cleveres aber rundes Songwriting zeigt und Atmosphäre mit musikalischem Können verbindet. In meinen Ohren ist das hier ein Volltreffer. Andere Bands im Spannungsfeld zwischen Punk und Emo würden vermutlich töten für diese Melodien, diese Ideen und das Gefühl, welches in dieser Stimme liegt. Jetzt verstehe ich endlich, warum diese Band seit Jahren so abgefeiert wird!