Stil (Spielzeit): Folk / Punk (42:20)
Label/Vertrieb (VÖ): Kultur Shock Records (18.09.09)
Bewertung: 6 / 10
Link: http://www.myspace.com/kulturshock
Der Name sagt alles… Sowohl der der Band als auch der Albumtitel. Es ist wohl unmöglich, KULTUR SHOCK gleich beim ersten Durchlauf zu lieben, wenn man nicht gerade von Natur aus vollkommen durchgedreht oder auf Drogen ist und FAITH NO MORE, MR. BUNGLE und GOGOL BORDELLO zu seinen Lieblingsbands zählt. Also wer sich für total „crazy“ hält, weil er gerne mal SYSTEM OF A DOWN hört, wobei die abgedrehteren Passagen lieber übersprungen werden, um zum nächsten Headbangpart zu gelangen, der kann sich jetzt lieber wieder dem Delta Radio-Programm widmen. Denn Vergleiche zu SYSTEM OF A DOWN sind durchaus berechtigt – nur gehen KULTUR SHOCK noch einen (oder eher zwölf) Schritte weiter und scheißen buchstäblich auf herkömmliche Songstrukturen und Massenkompatibilität. Das hier ist der totale „Kultur Shock“! Und zwar nicht bloß auf eine bestimmte Kultur beschränkt. Mit „Integration“ wird uns die akustische Definition von „Multikulti“ geliefert.
Bei all der in Worte gefassten Andersartigkeit könnte jetzt natürlich die Vermutung aufkommen, die sieben amerikanischen Imigranten von KULTUR SHOCK seien fernab von jeglicher Tanzbarkeit. Doch weit gefehlt! Es gibt zwar tatsächlich Passagen, welche recht anstrengend anzuhören sind – und diese sind nicht unbedingt rar gesät. Doch wer der internationalen Volksmusik nicht prinzipiell abgeneigt gegenüber steht, der wird auch etliche Songs bzw. zumindest Songbruchstücke finden, die zu euphorischer bis hin zu extatischer Bewegung anregen. Ob irischer Riverdance, türkischer Bauchtanz oder „redneckischer“ Country – das hier ist „Punk, that even your mom would like“. Naja, der herkömmlichen Mama wird KULTUR SHOCK sicherlich zu anstrengend sein. Doch lässt sich nicht bestreiten, dass etliche musikalische Darbietungen auf „Integration“ auch in diversen Lokalitäten, die dem Genuss von kulinarischer Landeskultur gewidmet sind, nicht aus der üblichen Dudelei herausstechen würden.
Ich muss ja sagen, dass ich mich die ersten drei bis vier Durchläufe dieser Scheibe eher schwer damit getan habe, ihr irgendetwas Positives abzugewinnen. Ursprünglich stand für mich fest, dass die Punktebewertung die gut gemeinten vier Punkte nicht überschreiten würde. Doch wie gesagt: Man muss sich definitiv erst einmal an den Kultur Shock gewöhnen und sich darauf einlassen. Mittlerweile sind bestimmte Songs bei mir unweigerlich mit Bewegung verbunden. Und ich denke, dass sich das recht gut auf den Großteil der potentiellen Hörerschaft dieser eigenartigen Sickos projezieren lässt. KULTUR SHOCK verdienen eine zweite Chance!
Und wer diese bereit ist, zu geben, der wird mit wirklich höchstinteressantem Punk der Extraklasse belohnt. Wobei Punk auch fehlinterpretiert werden könnte. Wirklich punkig ist die Band nun wirklich nicht. Die Musik ist (sehr) viel komplexer und die Gitarren rücken viel mehr in den Hintergrund als beim üblicherweise mit dem Wort „Punk“ verbundenen musikalischen Bild. Das punkige an KULTUR SHOCK ist viel mehr die Offenheit, Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und das auf die Stirn geschriebene „Ach, leck mich doch!“. Oftmals gehen die Stromgitarren geradezu unter in der Flut von Instrumenten wie Geige, Banjo, Bläsern und und und... Also man muss Folklore auf jeden Fall aufgeschlossen gegenüber stehen. Sonst nerven KULTUR SHOCK auch nach dem zehnten Durchlauf noch.
Was ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist, ist die gesangliche Darbietung der anspruchsvollen, zum Nachdenken anregenden Texte. Hier werden durchgehend mit deutlich orientalischem Akzent englischsprachige Texte in einer inbrünstigen Art und Weise vorgetragen, welche der breiten Masse wohl am besten von Serj Tankian bekannt sein dürfte, ohne dabei in aggressive Shouts überzugehen. Dies wird unter anderem ein Grund dafür sein, warum man KULTUR SHOCK auch auf ihrem mittlerweile vierten Longplayer nur entweder lieben oder hassen kann. Ich persönlich habe innerhalb der zahlreichen Rotationen dieser Scheibe die Seiten gewechselt und vergebe dementsprechend ein objektives Durchschnitts-„Gut“...