Stil (Spielzeit): Horrorpunk (35:57)
Label/Vertrieb (VÖ): Retroactive Records / Twilight (13.10.09)
Bewertung: 8 / 10
Link: http://www.myspace.com/graverobberpunk
So richtig Horrorshow... Das hätten auch die Genre-Könige MISFITS kaum besser hinbekommen. Ich möchte fast wetten, dem potentiell etwas ahnungslosen, aber durchaus mit den amerikanischen Außenseitern mit den markanten „Volahiku“-Frisuren vertrauten Szene-Neuling könnte man „Inner Sanctum“ mit Leichtigkeit als deren neuestes Werk verkaufen. Nun gut, Glenn Danzigs einzigartige Stimme kann vom GRAVE ROBBER-Frontmann, welcher als Musiker unter dem Namen „Wretched“ firmiert, selbstverständlich nur von unten betrachtet werden. Und doch ist eine gewisse Ähnlichkeit nicht bloß feststellbar, sondern geradezu auffällig. Man merkt also sofort: Die maskierten Grabräuber aus Indiana haben ein ganz großes Vorbild und werden, da bin ich mir sicher, so einige Fans aus diesem Lager auf ihre Seite ziehen können.
Wer jetzt jedoch verleitet ist, der Annahme zu verfallen, GRAVE ROBBER seien eine reine Kopie und würden lediglich altbewährte Ideen aufgreifen, um sie neu zusammenzuwürfeln und als eigene Kompositionen zu verkaufen, dem sei vom Umgang mit scharfkantigen Gegenständen ganz klar abzuraten, da er sich in diesem Fall gehörig geschnitten hat. Denn wer sich nicht zu besagten „Szene-Neulingen“ zählt, dem wird auffallen, dass die vier grabschändenden Jungs auf ihrem zweiten Longplayer sehr viel mehr zu bieten haben als reinen Horrorpunk. Gut, den leichten Metal-Touch gab es auch bei den MISFITS, doch gehen GRAVE ROBBER noch einen Schritt weiter und lassen Gothicmetal-Elemente ebenso in ihre Songs einfließen wie Powermetal-Ansätze und stellenweise sogar regelrechten Speedmetal. Darüber hinaus finden sich selbstverständlich jede Menge tanzbarer Rockabilly sowie klassische Rockelemente aus vergangenen Zeiten in den allesamt sehr eigenständig wirkenden Kompositionen wieder.
Bei einigen Songs drängen sich beinahe zwangsläufig Bilder von Lederjacken, Cadillacs und schwarzen, zurückgegelten Haaren auf. So lädt das rockige „The night has eyes“ zum Travolta-artigen Tanzen ein, während mit der herausstechend schönen Ballade „Tell tale hearts“, welche ich persönlich zum Highlight des Albums küren würde, definitiv ein „Get ya ladies out“-Schmusesong auf „Inner Sanctum“ Platz gefunden hat. Der Titel wäre ideal für’s Autokino geeignet gewesen. Aber auch typische, mit jeder Menge „Whoah-oh“ versehene Horrorpunk-Kracher wie „Fear no evil“ dürfen natürlich nicht fehlen. Jeder Song auf dem Zweitwerk von GRAVE ROBBER besitzt einen eigenen Charakter und fügt sich in das Gesamtbild hauptsächlich durch die allgegenwärtige Melodie ein, welche den roten Faden bildet, auf dem die elf akustischen Perlen aufgezogen wurden.
Wenn ich jedoch von „Perlen“ spreche, dann legt das die Vermutung nahe, dass mich ausnahmslos jeder Track hier überzeugt hat. Dem ist leider nicht ganz so. Durch die vielseitigen Einflüsse ist es wohl kaum zu vermeiden, dass es auch den einen oder anderen Song gibt, der leider nicht dermaßen ins Ohr geht, wie er sollte. Und genau da liegt die Differenz zu einem runden Zehn-Punkte-Album. Von der Art einiger Songs hätte ich lieber mehr gehört, wobei ich auf andere wiederum gut hätte verzichten können. Aber das muss jeder für sich entscheiden...
Darüber hinaus gibt es jedenfalls von meiner Seite aus nichts auszusetzen. Was Wretched und seine drei Mitstreiter Lamentor, Carcass und Plague hier musikalisch abliefern, ist in jeder Hinsicht anspruchsvoll sowie abwechslungs- und ideenreich. Der Sound kommt ausreichend druckvoll daher und die Instrumente klingen stets sauber definiert, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Klar, ultrakomplex sind die Songstrukturen sicher nicht, doch wer würde so etwas in diesem Genre auch erwarten? Was zählt, das ist hervorragend tanzbare Rockmusik mit eingängigen Melodien, herzblütigem Gesang, intelligenten Texten, jeder Menge Spass und Kunstblut. Das wird spätestens auf einem Live-Gig der Truppe klar, wo in bester GWAR-Manier die Horror-Attitüde der Band auf spektakuläre Weise ausgelebt wird. So richtig Horrorshow eben...